Al-Qâhira – Mein ägyptisches Tagebuch 2002 – II
Auf meinen Wanderungen durch die Höhen und Tiefen der Kurzwellensender in Ermangelung eines Fernsehers, einsam und verlassen in meinem Apartment machte ich in der Küche unvermuteterweise Station bei einem italienischsprachigen Sender. Und was vernahm ich dort?? Tausende Kilometer entfernt im Nahen Osten hielt er mich über die letzten Beschlüsse der EU zum Terminplan für die EU-Erweiterung im nächsten Jahr auf dem Laufenden, damit den zehn neuen Ländern noch genug Zeit für ihre jeweiligen Ratifizierungsverfahren und Referenda blieb, bevor sie an den Europawahlen 2004 teilnehmen würden. Die Nachrichtensprecherin fuhr fort mit der Meldung, der iranische Aussenminister befände sich derzeit in Brüssel, wo er Herrn Prodi die Hand schütteln würde. Soweit, so harmlos. Wer hätte indes geahnt, dass sich dahinter Radio Teheran verbirgt?? In diesem islamischen Land schien sich in jenen Wochen Erstaunliches zu tun, nicht nur, dass Studentendemonstrationen das Todesurteil für einen unabhängig denkenden Professor zu Fall brachten. Auch eine grosse deutsche Wochenzeitschrift berichtete ausführlich über die grosse Amerikafreundlichkeit der – zu 70 % unter 30-jährigen – Bevölkerung, so gross wie sonst nirgends im Mittleren Osten! Wahrscheinlich nicht einmal in Ägypten!
Kontraste
Des Morgens auf dem Weg in die Stadt oder zum Einkauf führte mich mein Weg vorbei an einer “Eckkneipe” (Café), geschmückt mit bunten Ramadan-Tüchern wie ein Zelt, in dem wohlhabende Bürger im Ramadan eine Art Suppenküche eingerichtet hatten. Das Wohnviertel war durchaus gediegen, immer wieder schöne Blocks von Eigentumswohnungen in Pastell-tönen, vier-fünf Etagen hoch, schon mal geschwungene Fensterrahmen mit braunen Sprossen und bauchigen Balkons, an denen hie und da eine rotleuchtende Ramadan-Laterne hing. Viel stärker als die meisten Länder Europas leben die islamischen Länder in der Vergangenheit.
Kontraste allerorten. Zwischen unfertigen Wohnhäusern hauste sogar im Erdgeschoss von fertiggestellten und bezogenen, gepflegten Wohnungen manch eine Hausbesetzerfamilie. Neben einem Marmoraufgang mit Halogenspots in der Decke und Yucca-Palmen im Eingang werden dann Matratzen und Decken tagsüber über das Balkongeländer vor nicht existierendem Fensterrahmen geworfen. Die Decke grob geweisselt, die Wände nackter Beton, elektrische Leitungen wie Spinnweben an der Decke, aber in der Ecke ein Farbfernseher. Im Hintergrund Stapel von Kleidungsstücken über einer improvisierten Trennwand zum nächsten Raum. Zugang über eine rohe Betontreppe, keine Haustür. Davor ein Hund an einen Baum gebunden, zum Trinken ein Eimer Wasser. So haust fröhlich die Grossfamilie! Katzen streunen über die Strasse. Kinder spielen mit Knallern wie bei uns zu Silvester und rufen Hello und Welcome! Unweit davon ein kleines Restaurant, das ich mich nicht traue auszuprobieren und das auf den Namen “Cordoba, Egypt” hört… Irgendwas musste da durcheinander geraten sein…
Positiv an dieser Stadtrandgegend war, dass ich keine Anmache wie in den Touristengegenden in der Innenstadt bemerkte, eher Gehupe, das frau leicht ignorieren konnte – sofern es überhaupt für einen bestimmt war!
Fussgänger in Kairo, gejagt wie die Hasen
In der Stadt hatte der Fussgänger bekanntlich wahrlich kein leichtes Los! Die Heerscharen von Uralt-Taxis, mindestens 20 Jahre alt, spielen praktisch die Rolle der öffentlichen Verkehrsmittel, die beiden U-Bahnlinien waren zwar sehr angenehm kühl und schnell, aber leider bei weitem nicht ausreichend! Relativ wenig Privatautos waren zu sehen, Fahrräder natürlich rar. Der Verkehr, auch an der Corniche am Nilufer, ein breiter Strom wie der Fluss. Die weiss gewandeten Polizisten des Herbstes waren überall schwarz uniformierten Soldaten mit Gewehr oder MG gewichen. Wieso das? Waren die Weissen in der Wäsche? Erhöhte Alarmstufe (wegen des Ramadan oder war es eine andere Gattung Militär?)?
Wer die kecke Idee hatte, die Strasse überqueren zu wollen, hatte sich auf ein Abenteuer eingelassen! Ampeln waren so gut wie unbekannt. Bisweilen hatte frau Glück und es gab sogar einen Verkehrspolizisten, der diese Rolle übernahm und intervenierte (andernorts bremsten Bodenschwellen auf grossen Verkehrsachsen unkontrollierte Raser). Wenn nicht, hiess es, sich in Geduld fassen. Nachdem ich auf der Corniche einmal schon fast überfahren worden wäre, war ich vorsichtiger geworden. Wenn ich meine Nase in den Verkehr steckte und nach einer Lücke im Strom Ausschau hielt, hiess es zudem, manchen Taxifahrer abzuwehren, der meinte, eine potentielle Kundin zu erspähen! Am besten war es, sich einer Gruppe von Einheimischen (auch Frauen!) anzuschliessen. Wer Pech hatte, wurde von den Autofahrern wie ein Hase gejagt! Andererseits, Verkehr muss fliessen, und wer auf Fussgänger Rücksicht nimmt, bringt ihn zum Stocken und riskiert Auffahrunfälle, wie ich feststellen konnte.
Kurs auf mein Internet-Café, wo ich so schnell, wie diese antiquierten PCs es hergaben, meine Mails checkte und auf Post von Arne stiess! Sein herablassender Tonfall behagte mir allerdings nicht. Er sei angenehm überrascht von meinem Mail, tat er mir kund… Sie fragen sich, wovon er redete? Ein sehr spezielles Thema, liebe Leserin, ich hatte ihm von einem sexy Buch geschrieben, das ich ohne gross nachzudenken nach Kairo mitgenommen hatte, „La vie sexuelle de Catherine M.“, auch auf Deutsch ein Bestseller. Schuld war mal wieder meine verdammte Neugier.
Gewagte Lektüre in ultra-keuschen Gefilden
Allein schon das kühne, kühle Aktphoto von ihr auf dem Cover, in schwarz-weiss! Vielsagend. Künstlerisch anspruchsvoll wie eins dieser Aktphotos von Helmut Newton. Wie tickt so eine Frau, fragte ich mich – und konnte ich gar etwas von ihr lernen?? Was für ein Buch!! Genauso kühn, schonungslos offen, aber zugleich distanziert, kühl, intelligent – immer wieder habe ich mich gefragt, was für eine Frau das ist? Gibt es eine Entwicklung bei ihr? Wie wird man so? Und nicht zuletzt, warum schreibt sie so ein Buch, das m.E. in seiner Kategorie durchaus die Bezeichnung “Standardwerk” verdient? Über ihre Motive liess sie sich, die nicht weniger als Chefredakteurin einer Kunstzeitschrift war, Bohemien wie so mancher Künstler, in einem Extrakapitel ausführlich aus, sprach von persönlicher Bilanz, Erforschung ihrer Sexualität, rechtfertigte nichts, schilderte nur den Werdegang ihrer Jagd nach Lust, angeblich nicht chronologisch.
Mehr als einmal war sie von schockierender Offenheit. Sprach ich von Künstler? Genau, in ihrem sexuellen Verhalten, besonders wenn es um wahlloses Rumbumsen nicht nur in einer Gruppe ging, einer Art von Familie für sie (hatte sie sonst keine?), sondern in der Anonymität der Pritsche eines Lieferwagens (!), in Erwartung einer Reihe von unbekannten Männern, gesichtslosen Nummern, Umsetzung einer ihrer unzähligen sexuellen Phantasien, Promiskuität war fast kein Ausdruck, hatte sie etwas Männliches. Abgesehen davon war sie, die selbst hässliche oder gar dreckige Männer nicht verschmähte, Mitglied der Bourgeoisie, nicht zu vergessen! Unbeleckte Naturen, das Wort passte hier besonders gut, konnten dabei durchaus noch etwas dazu lernen! In dem Buch schilderte sie ihren Werdegang ausführlich, die Zeiten des wildem Herumbumsen mit allen Männern, die sich nicht rechtzeitig auf die Bäume retteten, wie Arne gerne zu sagen pflegte, und Gruppensex, plus ohne Scheu mit vier oder fünf Männern gleichzeitig ein Verhältnis. Ich war geplättet.
Wie wird frau so? Was war da schiefgelaufen zuhause? Darüber liess sie sich nur wenig aus. Eine Nymphomanin war sie, nichts anderes, Gefühle spielten eigentlich kaum eine Rolle, eine Narzisstin, die im anderen die Spiegelung sucht, Exhibitionistin, die den Sex – zumindest in jüngeren Jahren – fast wie ein Kind betrieb -, mit starken analen Elementen wie einer Fantasie von Sex an den Mülltonnen! Wielange ging so was gut?? Etwas verblümt deutet sie einmal an, dass sie – wohl auf Anregung eines ihrer Lover – eine Psychoanalyse anfängt, um sich und ihre damals auftretenden Angst- und Hassgefühle besser zu verstehen. Auslösendes Moment war wohl gewesen, dass sie irgendwann in ihrer Rolle als Boss einer Bande (!) von einer anderen, jüngeren Frau abgelöst wurde… Der Boss wurde geschasst! Und Verführung war überhaupt nicht ihr Ding (im Gegensatz zu den meisten Frauen)! Interessanterweise gehörten Sex und Begehren für diese Träumerin durchaus nicht immer zusammen. Da kommen wir gleich ohne zu Fackeln zur Sache, strecken den Männern den wohlgeformten Arsch entgegen, ihr Hauptanliegen! Das las mein Arne natürlich mit Vergnügen! Und ich schmökerte im keuschen, prüden, muslimischen Kairo solche libertäre Lektüre, des Abends, einsam auf meinem „Sofa“ im riesigen Wohnzimmer, da gucken Sie! Solcher Art sahen meine einsamen abendlichen Zerstreuungen aus mangels anderer Möglichkeiten. Kurzwellen-Radio zur Linken, Tagebuch zur Rechten, auf der Matratze im Wohnzimmer schreibend oder lesend. Was oder gar wo sollte ich mich auch in dieser gottverlassenen Umgebung und um diese Jahreszeit herumtreiben?! Ich war schliesslich nicht Catherine. Bis es Zeit zum Schlafengehen war, also eher früh.
Schnüffelei
Und jetzt der Hammer, liebe Leserin: Selbstmurmelnd liess ich so ein Buch nicht in der Wohnung herumliegen, allein schon wegen des Titelfotos, sondern versteckte es immer schön in meiner Reise-tasche, Reissverschluss zu! Und was stelle ich eines Abends fest, als ich es rausholte? Das Cover war weg! Abgerissen! Futschikato! Ich war sprachlos und dachte, ich träume! Hilflos drehte ich das Buch in meinen Händen und dachte immer wieder, da war doch noch was gewesen.
Was können wir daraus schliessen?? Erstens durchwühlte jemand, d.h. wohl Karim, meine Sachen. Und zweitens, konnte er, in dieser Hinsicht völlig ausgehungert wie alle Männer hier, nicht der Versuchung widerstehen, sich so ein rares „Pornofoto“ unter den Nagel zu reissen! In Kairo, wo schon die Titelbilder von westlichen Frauenzeitschriften für Porno gehalten werden! Na, das musste er aber gut vor seiner lieben Frau verstecken, dachte ich bei mir. Es hatte mir einen Schock versetzt. Hiess es doch auch, dass er sich bei mir rumtrieb, dann und wann. Wer konnte sagen, was er noch alles durchwühlte. Gut, dass er das Buch nicht lesen konnte! Hätte ihm einen Herzinfarkt eingebracht!
Fastenbrechen – Iftar
Kurz vor 17 Uhr jeden Tag hatte das Fastenelend ein Ende und die Muezzine der zahllosen Moscheen hoben zum Rufe an! Fastenbrechen, sprich : Iftar war angesagt. Nervös und mit knurrendem Magen warteten schon alle Gläubigen ungeduldig auf diesen Moment. Nur ich hielt mich nicht dran. Birgit hatte mich am Montag zum Iftar-Essen der Auslandspresse eingeladen, das in einem alten Kolonialhotel unweit des Hotel Interconti Semiramis stattfinden sollte! Es sollte ein gutes Buffet geben.
Nichts wie hin, sagte ich mir. Etwas westlich-vertraute Zivilisation von Zeit zu Zeit konnte frau gut gebrauchen. Der Orient konnte schon sehr fremd sein… Wenn man auch auf der breiten Sharia Nr. 9 (Strasse Nr. 9) bei mir draussen schon mal Männer in traditioneller Dschalabeyya sah und den – fast sehnsuchtsvollen – Ruf nach Allah allerorten hörte, 5 x am Tage, mal ein machtvolles Raunen, mal wie ein vielfältiger Chor, wie ein „Oh, Allah, erlöse uns von dieser – fremden, feindseligen – Welt. Da fragte man sich schon, wie ticken die Leute hier?? Mir fiel dann nicht nur das Stichwort Tradition ein, böse Zungen würden sagen “Vormoderne”, sondern auch so etwas wie “Grosse allgemeine Verunsicherung”. Der Islam, wie Religion ganz allgemein, gibt auch Halt, Orientierung, geistig-religiös, seelisch, moralisch – ja, sogar wirtschaftlich, insbesondere in den Zeiten von Raubkapitalismus und Globalisierung!
Islamisches Bankenwesen
Da geriet mir ein Artikel aus der englischsprachigen Al Ahram Weekly in die Finger, die ich schon mal in Ermangelung westlicher Zeitungen las, unter dem Titel “A financial Jihad?” Bekanntlich gibt es im Islam ein etwas spezielles Bankenwesen, das z.B. keinen Zinsfuss kennt – oder nur auf Umwegen, und das anscheinend kein Unwesen treibt wie im Westen. Nur Gott sei Herr der Zeit und der Mensch habe kein Recht, davon zu profitieren, wurden die Leser belehrt. So hätten am 3.11. in Kuala Lumpur neun islamische Länder (von 56), darunter Kuweit, Malaysia, Indonesien, Saudi Arabien, Pakistan, Bahrein den Islamic Financial Services Board ins Leben gerufen, defacto die Bildung der ersten islamischen Zentralbank. Premier Mohammed Mahatir bezweckte damit die Schaffung einer fairen Wirtschafts- und Sozialordnung im Lichte eines Finanzsystems, das viele Entwicklungsländer in die finanzielle Sklaverei geführt habe, gepaart mit endlosen Schuldenbergen. Wie wahr, wie wahr. Ein Weg zur Emanzipation von IWF und Weltbank??
Ende des Ramadan – Eid al-fitr
Diese Woche war nun der Holy Ramadan vorüber, alle Sehenswürdigkeiten, Geschäfte, Büros etc. würden wieder wie üblich geöffnet haben. Krönender Höhepunkt würden die drei Feiertage des Eid al-fitr sein, bei uns sicherlich nur wenigen Menschen ein Begriff. Zu diesen Feiertagen gehörte auch der Ausflug zu den Verstorbenen auf den Friedhof, ein Brauch aus den Zeiten der Pharaonen und ihren Vorstellungen von Ewigkeit, da der Islam an sich die Verehrung von Heiligen und Toten verbietet. Ich spreche hier von „Ausflug“, denn es geht tatsächlich mit Kind und Kegel samt Küchenutensilien zu einem wahren Picknick los! Eine weitere Parallele zu unseren Totengedenktagen im November, ansatzweise. Nur vermutlich ausgelassener.
Edle Worte vom Imam Bush zum Eid al-fitr
Sogar der Imam Bush musste von diesem Eid al-fitr Wind bekommen haben. Gross war meine Überraschung, als ich zu diesem Anlass gar zweimal seine Rede an die Moslems in den USA und auf der ganzen Welt im Radio zu hören bekam. Mit offenen Mund vernahm ich, wie er Mildtätigkeit und Toleranz der Moslems während des Ramadans – aber nicht nur dann – lobte und anerkannte, die Leistungen dieser reichen Kultur, in Medizin und Bildung, in der US-Army wie in Universitäten und Regierungsbehörden! Welch ein PR-Coup! Machte er das alle Jahre? Eigentliche keine üble Idee, würde uns bestimmt auch gut zu Gesicht stehen. Warum fand denn ein Osama Bin Laden in vielen islamischen Ländern so viel Anklang?? Er war für sie ein Held, ein negativer, zwar, aber wo waren denn die positiven?? Das bekannte Underdog-Phänomen. Dann hiess es in einer Umfrage der BBC, der stärkste Anti-Amerikanismus fände sich in den moslemischen Ländern und darunter in Ägypten und Pakistan. Worauf der geneigte Hörer erfuhr, dass Ursache dieses Anti-Amerikanismus zum Glück weniger die Amis als solche – als vielmehr ihre Politik sei!
Auf dem Rückweg Umsteigen wie gehabt am Verkehrsknotenpunkt Madame Aicha. Zu jeder Tages- und Nachtzeit Gewühle unter der Brücke der Schnellstrasse. Hauptverkehrsmittel (vor oder nach den Taxis?) waren die VW-Busse, natürlich in Privatbesitz, vollgestopft mit 15 Insassen. Losgefahren wird, wenn der Bus voll ist, die Fahrgäste reichen die 75 Piaster Fahrpreis bis zum Fahrer durch. Angehalten wird nach Wunsch, neue Fahrgäste aufgenommen ebenso. Ach ja, ein paar grosse, öffentliche Busse gibt es auch, aber um die mache ich meistens einen Bogen. Nicht vertrauenserweckend.
Von „Madame Aicha“ bis Mukattam im Minibus
Vor mir im Bus ein Elternpaar mit ihrem kleinen Mädchen, Papa europäisch gekleidet, Mama mit weissem Kopftuch plus Baby. Die Kleine, im süssen Alter von ca. vier Jahren, ist herausgeputzt wie keine ihrer grossen Schwestern und Mütter. Sie darf noch unverschleiert durchs Leben gehen, die langen, braunen Haare im Nacken von mehreren Spangen zusammengehalten, trägt ein modisches olivfarbenes Wolljäckchen mit Puffärmeln und etwas Stickerei. Die hübsche Kleine spielt und nuckelt an einem weissen Schlangenluftballon und schäkert mit ihrem Papa. Irgendwann, vielleicht auf Zuflüstern des Papas, wirft mir der kleine Fratz ein Welcome zu! Das können sie alle hier. Was soll man dazu sagen?!
Die Verbindungsstrasse zwischen dem Vorort Mukattam auf dem Berge und der 16 Millionen-Metropole unten windet sich den Berg hinauf. Die Dunkelheit verbirgt gnädig den Blick auf die Bauarbeiten für die geplante Verdopplung dieser Verkehrsachse. Weiter geht es an den rotblinkenden Sendemasten des ägyptischen Air Command vorbei, Boden knochentrocken. Die graue Wattewolke des Smogs dieser Tage ist abends zum Glück nicht zu sehen – höchstens zu riechen.
Das „Wort zum Sonntag“ von Radio Teheran
In meinen grossen, kahlen Vierwänden stosse ich abends im Radio auf das “ Wort zum Sonntag”, zur Abwechslung mal auf Englisch, so dass auch ich etwas verstehe, zudem mit starkem amerikanischen Akzent : Nein, es geht dabei nicht um den christlichen Gott beispielsweise der amerikanischen Adventisten oder sonstiger Fundamentalisten, sondern um Allah natürlich – aber macht das einen Unterschied?? Wenn die Rede ist von der Notwendigkeit guter Taten, von Verständnis, Güte, Selbstbeschränkung und Zurückhaltung, die der Islam (als “unendliche Quelle der Weisheit”) propagiert. Dem wird das Christentum schwerlich widersprechen. Wie sagte neulich mein Lehrer Karim mit einem missbilligenden Blick auf lauten Singsang aus einem Nachbarhaus während des Unterrichts: „Der Prophet sorgt auch für gute Erziehung und sagt, niemand soll laut sprechen; jetzt muss ich mir das anhören, ob ich will oder nicht!“
Der Sprecher war übrigens von Radio Teheran.
Auszug aus „Cosmo Girl“ von Barbara Werner