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Der Geldorden

Auf vielfachen Wunsch wiederholte ARTE am 24.9.2013 die Dokumentation „Eine Bank lenkt die Welt – Goldman Sachs“! Danke, ARTE! Je mehr Zuschauer Bescheid wissen, desto besser!

Goldman Sachs, die „mächtigste Bank der Welt, ein Imperium von 700 Milliarden Euro, zweimal so viel wie der französische Staatshaushalt, Arbeitgeber von weltweit 30.000 Menschen“.

Kurzer Rückblick auf 2007, Zeitpunkt nicht nur für den Ausbruch der jüngsten Finanzkrise, sondern gleichzeitig Höhepunkt der Macht des Bankensektors dank der absoluten Deregulierung der Finanzwelt. Zur Erinnerung : Auslöser der Krise waren die sogenannten Subprimes, die amerikanischen Schrotthypotheken, verbrieft zu Wertpapieren und in die ganze Welt verkauft. Die Folge waren Massenarmut in den USA, 65 Jahre nach der Grossen Depression. „Doch die Wallstreet tanzt weiter, solange die Musik spielt“. Auch 2015 noch.

2007 – -Der Zusammenbruch des Jahrhunderts

2007 war die Investment Bank Goldman Sachs (GS), die nur mit ausgewählten Grosskunden und Regierungen wie China und Russland zusammenarbeitet und von daher keine Zweigstellen unterhält, noch ein gigantischer Supermarkt für Spekulanten aller Art. Dann übernahmen die Trader die Macht. GS, die sich als die Herren der Weltfinanz betrachtet, spekuliert in erster Linie in die eigene Tasche, was man Eigenhandel nennt. Und das schon, bevor die Mathematiker das Ruder der Wallstreet übernahmen. GS, auch „die Firma“ genannt, wettet auf kleinste Schwankungen wie ein Hedgefonds und dankt seinen Tradern dafür mit Millionenboni.

Wer bei GS anfängt, tritt nach Auffassung mancher in einen „Orden“ ein; an der Wallstreet wird GS deshalb auch die „Bankermönche“ genannt, nicht unähnlich den Jesuiten. In den 90er Jahren rekrutiert GS nur die Besten. GS werbe die jungen Leute an, jung und formbar seien sie, und mache „Cyborgs“ aus ihnen, sagen Insider. Diskretion und Risikofreude seien das Motto.

Eine ex-GS-Bankerin berichtet Interna aus der „Firma“ und erzählt den Zuschauern, wie die Mitarbeiter gegeneinander gehetzt würden. Nehmen wir einmal das „Wochenendspiel“: Einen Freitagabend vor einem langen Wochenende werde z.B. ein Trupp Neulinge in einen Sitzungsraum geladen. Alle warten, kein Chef lässt sich blicken. Um 20 Uhr sind es einige leid. Warum nicht ins Wochenende fahren?! Um zehn Uhr abends schliesslich taucht der Senior auf und lässt alle ein Papier unterschreiben. Wer nicht mehr da ist, wird am Montag früh gefeuert!

Vorrang habe der Vergleich mit den anderen Kollegen, fixiert auf ihre Egos seien sie, auf Jobs, Boni und ihre Karriere. Andere seien ihnen egal. Ihre Stellung im Unternehmen motiviere sie. Belohnt wurde etwa, wer seinen Kunden wertlose Wertpapiere aufschwatzen konnte, die Goldman Sachs loswerden wollte. Mehr Geld gab es auch für Trader, die die verpönten synthetischen Konstrukte der Sorte CMO, ABS, CDO verkauften – und die Finanzkrise der letzten Jahre verursacht haben. Sie selbst habe den 11. September 2001 in ihrem Büro in New York verbracht. Bevor auch GS wusste, was es mit den Anschlägen auf sich hatte, lautete die Devise erst mal „Weitermachen! Egal, was das ist, es könnte ja Geld einbringen!…“ Und – GS habe unmittelbar Kapital aus den Anschlägen geschlagen.

2007 wettete GS sogar gegen seine eigenen Kunden, was sich vielleicht inzwischen schon herumge-sprochen hat. Hierbei ging es um den sogenannten „Abacus-Skandal“. Dabei spekulierte die Bank auf den Wertverfall von Abacus, einem komplexen Finanzprodukt aus gebündelten, riskanten Papieren, dem GS obendrein das höchste=sicherste Triple-A-Rating verpasst hatte. Und enthielt ihren Anlegern wichtige Informationen vor, während sie es gleichzeitig an sie verkaufte! Klingt pervers – war es auch. GS machte gleich doppelt Gewinn: GS strich eine Provision ein und gewann als Spieler den Ertrag der Spekulation. Auch die deutsche IKB-Bank, früher eine konservative Mittelstandsbank, besass Abacus-Papiere und sei eine Zockerbank geworden, sagt ein ex-Banker der IKB. Die Bank verhob sich, machte 750 Millionen Dollar Verlust, Anleger verloren ihre Ersparnisse, sie ging in Konkurs und musste verstaatlicht werden. Der Mann bedauert immer noch, wie sich die IKB von den ausgefuchsten GS-Burschen habe über den Tisch ziehen lassen.

Mit dem Abacus- Skandal hatte das Vertrauen der Kunden in die Qualität von GS-Anlageempfehlungen ein Ende. Und umgekehrt! Von nun an wurden die Kunden bei GS auch schon mal als „Gegenparteien“ bezeichnet. Ergo, als potentielle Opfer.

Und hier kommt die Geschichte von „Fabulous Fab“ Tourre ins Spiel, einem Mathematiker und Trader, der mit 22 Jahren zu GS kam, ehrgeizig, reich und arrogant. Er wurde in Paris vor Gericht gestellt, weil er von London aus für diese Abacus-Deals verantwortlich war. In seinen privaten E-mails an seine Freundin, die GS – übersetzt – der Presse zugespielt hatte, gab er am bereits 27.3.2007 zu, das „Subprime-Business sei tot“… Wegen seiner Verwicklung in den Fall „Abacus“ wurde Fabrice zu einer Anhörung des US-Senats vorgeladen, die live im Fernsehen übertragen wurde. In seinen Mails verhöhnte er seine Kunden schon mal als „Witwen und Waisen“, denen er komplizierte Hypotheken-Anlagen aufgeschwatzt habe. Nützliche Hinweise zur Aufklärung kamen von ihm nicht, GS hatte ihn zum Schweigen verdonnert. Nichtsdestotrotz übernahm GS seine Anwaltskosten. Und opferte ihn gezielt. Toure war als einziger vernommen worden. Doch die Anklage der Börsenaufsicht SEC gegen ihn wurde fallengelassen Es sei enorm schwierig, einen Banker der Wallstreet strafrechtlich zu belangen, hiess es von Insidern. Im Gegenzug hat GS 400 Millionen Dollar gezahlt, den Gewinn von 2 Wochen, ohne das geringste Schuldeingeständnis!

2008 – „Einflussreiche Männer“

Heute erscheint Abacus nur als das Vorbeben für den grossen Crash im September 2008. Lehman Brothers steht vor dem Bankrott und das ganze System des Finanzkapitalismus droht zu kollabieren. Die US-Regierung aber lässt Lehman Brothers fallen, Finanzminister Hank Paulsen rückt kein Geld heraus. Wieso das?

Finanzminister Hank Paulsen selbst war nämlich ex-Vorstandsvorsitzender von GS! Auch wenn er vor Amtsantritt seine Firmenanteile im Werte von 200 Millionen Dollar zurückgegeben hatte. In den USA ist dieses Hin- und Herpendeln zwischen Wirtschaft und Politik bekanntlich an der Tagesordnung, mehr als in Europa. Aber Lehman Brothers war, was Sie vielleicht nicht wissen, der Hauptkonkurrent von GS!! GS hat also vom Verschwinden seines Hauptrivalen bestens profitiert! Die Welt weniger. Die hat er einen Blick in den Abgrund werfen lassen.

Der wankende Versicherungsgigant AIG hingegen, dem Paulsen zu seinen GS-Zeiten noch einen Riesenkredit gewährt hatte, hat mehr Glück und erhält Unterstützung in der Not. Aus gutem Grunde – mit AIG riskierte GS satte 10 Millionen Euro Verlust. Und kurz darauf tritt er in die US-Regierung als Finanzminister ein und die Regierung ist so nett und rettet AIG! Verlängerte Firmenpolitik auf Staatskosten. Also habe die „Sachs-Regierung“ GS gerettet, heisst es! Das sei doch krank! GS habe der Regierung gesagt, sie solle die Schulden übernehmen – und die Regierung tat es! Wie nennt man so was im Allgemeinen? Interessenkollusion! Defacto sei GS ein „Staat im Staate“.

Schon lange wird GS wegen seiner Verflechtungen mit der Politik in den USA und auch anderswo angefeindet. Ein halbes Jahr nach seinem Ausscheiden aus der US-Regierung wird Hank Paulsen vor einen Ausschuss des Kongress geladen. Es sei eindeutig ein Problem, erklärt der Ausschuss, wenn Politiker und Banker Freunde seien, es würde zu sehr in eine Richtung gedacht. Paulsen wird von der amerikanischen Justiz nie behelligt.

2009 – „Der Banker Gottes“

Die Bank zeigt ihr wahres Gesicht :

2009 fand eine Kraftprobe des US-Präsidenten Obama mit 13 Vorstandsvorsitzenden der wichtigsten US-Banken statt, natürlich unter Anwesenheit von Lloyd Blankfein, dem CEO von GS. „Das Volk will Köpfe rollen sehen“, eröffnete Obama die Krisensitzung. 2009 befindet sich die US-Wirtschaft in der Rezession und die Banken überleben nur dank Hunderten von Milliarden Dollar Staatshilfe. Doch Glück haben die Oberbanker, Obama ist für die Beibehaltung der Bankenhilfe, im Gegenzug will er Reformen des Bankensektors sehen. Doch keine Köpfe rollen!

Die Banker hatten schon Angst, von Obama für die Finanzkrise zur Verantwortung gezogen zu werden – aber nein! Die USA haben alle Spitzenbanker an ihren Plätzen gelassen. Die Ideologie lautet „Wallstreet ist gut, grössere Banken sind besser, globale Megabanken wie GS sind am besten“, erläutert ein Fachmann, „Völlig falsch!“

Im März 2009 hatte die US-Regierung noch eine starke Position gegenüber den Banken, sie entschied, welche Bank gerettet wurde und welche nicht. Sechs Monate später war es genau umgekehrt! In einem halben Jahr hat GS es geschafft, sich in der US-Regierung Gehör zu verschaffen und die Reformansätze zu entschärfen. Dabei spielt GS schon seit Jahrzehnten in Washington, im Herzen der Macht, ihr Spiel: Kritiker nennen sie die „Krake“, sie plaziert ihre Leute in Spitzenpositionen von Ministerien, Bundesagenturen und internationalen Organisationen. Und sieht damit nicht mal ansatzweise einen Interessenkonflikt!

Ihre Einflussnahme erfolgt auf drei Ebenen :

  1. Ebene : Die Männer im Weissen Haus

Robert Rubin, ex-Vorstandsvorsitzender von GS, Finanzminister unter Clinton

Mark Patterson, ex-Direktor bei GS, ab 2009 Obamas Kabinettchef

  1. Ebene : Männer der Zentralbank und Regulatoren

Gary Gensler, 18 Jahre GS-Banker, unter Obama Vorsitzender der CFTC

William Dudley, ex-GS-Partner und CEO der Fed von New York

Adam Storch, ex-GS-Banker und leitender Direktor der Börsenaufsicht SEC

  1. Ebene : Beeinflussung von internationalen Organisationen

Mark Carney, ex-GS-Direktor ,jetzt Gouverneur der Bank von England

Robert Zoellick, ex-Präsident der Weltbank, jetzt GS-Berater

Keiner der Beteiligten war zu einem Interview mit ARTE bereit.

An der Spitze von GS steht der 58-jährige Lloyd Blankfein, die Verkörperung des Gesichts der Bank. Ein Banker, der sich schon mal zum „Herrn der Welt“ erklärt hat, der „die Arbeit Gottes (!) verrichte“! Welch eine Verblendung, findet Nomi Prins, abtrünnige GS-Bankerin. Sein Image sei das eines Mannes ohne Glauben und Moral, abgekoppelt von der wirklichen Welt. Nun unterscheidet er sich damit vermutlich nicht von der Arroganz des Rests der Wallstreet. Blankfein stammt aus einfachen Verhältnissen in Brooklyn und hat sich hochgearbeitet. Ende 2009 wählt ihn die Stimme der Finanzwelt „Financial Times“ zum „Mann des Jahres“, der Obama die Stirn geboten hat. Im Jahre 2010 streicht Blankfein die Kleinigkeit von 7 Millionen Euro Boni ein. Am Ende gewinnt immer die Bank.

2010 – Der Geruch des Blutes

2010 treten wir in die 2. Phase der Finanzkrise ein, sie wird zur europäischen Staatsschuldenkrise, Europa zur leichten Beute der Spekulanten (und der mit ihnen verbündeten Ratingagenturen, in jüngerer Zeit ziemlich verstummt. Zum Glück. Anm. d.R.).

Griechenland – Griechenland kennt GS gut, denn GS hat Griechenland 2001 geholfen, seine Schulden per sog. Zins-Swap zu kaschieren. Und so ist Griechenland 2001 in die Eurozone aufgenommen worden, der Euro wurde der Schlüssel zu sorglosem Konsum, auf Kredit selbstverständlich. Um das Jahr 2000 war in Griechenland das Goldfieber ausgebrochen. Griechenland bekam billiges Geld und Kredite wie ein Junkie aufgedrängt, die sich das Land nicht wirklich leisten konnte. Ich weiss, wie das geht, wenn einem die Hausbank hinterhertelefoniert, und das noch nach Feierabend, nur um einen wieder einen Kredit aufzudrängen! (Anm. d.R.)

Ende vom Lied ein böses Erwachen: Griechenlands Schuldenstand belief sich 2001 auf 103 % des BIP! Der Maastricht-Vertrag erlaubt nur 60 %. Und Griechenland hatte sich Kredite in Fremdwährungen aufschwatzen lassen, verkauft über den „Tisch“ („Over the Counter“ = OTC), die nirgendwo in den Büchern auftauchen. Und die wurden dann nach unten gerechnet.

Griechenlands Schuldenagentur hatte damals (noch) einen sehr guten Ruf und so kam es, dass Griechenland auf den Märkten einen sehr professionellen Eindruck hinterliess. In London traf die Schuldenagentur die GS-Leute, die ihr behilflich waren und Griechenlands Schulden um 2 % herunterrechneten. Dafür wurde Griechenland auch erlaubt, seine Schulden erst nach den Olympischen Spielen zurückzuzahlen. Allerdings musste dieser Deal mit sogenannten Swaps von GS vertraulich bleiben. Dieses Geheimnis hielt zwei Jahre. Ein Eingeweihter nennt das einen „Pakt mit dem Teufel“. GS soll 500 Millionen Dollar Provisionen an der Transaktion verdient haben! Auf diese Art und Weise hat GS Griechenlands Schulden offiziell um 3 Milliarden Dollar geschrumpft, eine Rückversicherung gegen Zahlungsunfähigkeit! Defacto aber verdoppelt! Bei einer Rückzahlung von 400 Millionen Euro/Jahr bis 2032 wirklich ein guter Deal?

Ein Zeuge erläutert, dass mit dem jetzigen Schuldendienst jeder Euro zum Beispiel der Autobahngebühr, die ständig steigt, direkt auf das Konto eines GS-Kunden überwiesen wird. Und mit der Flughafensteuer liefe es genauso.

Die manipulierten Staatsschulden wurden von der EU genehmigt.

Was wusste Europa von dem Trick, mit dem Griechenlands Schulden mit einem Schlag um 3 Milliarden Euro verringert wurden? In Europa überwacht die Organisation Eurostat die Buchführung der Mitgliedstaaten, wobei bei Verstössen das Sanktionsrecht in den Händen der Politiker liegt. Ein Zeuge sagt aus, dass schon damals Griechenlands Zahlen Fragen aufwarfen. Doch die Griechen beharrten darauf, die an Eurostat übermittelten Zahlen seien korrekt. Wir glaubten ihnen nicht. Es hiess, Eurostat wusste von dem Deal mit GS, was Eurostat nie bestätigt hat. Also schauten die Europäer weg. Nicht jedoch GS, GS liess Griechenland nie aus den Augen. Hedgefonds-Manager John Paulsen, der in griechische Staatsanleihen investiert hatte, verdiente ein Vermögen damit. GS bot an, einen Teil der Schulden durch einen Privatinvestor übernehmen zu lassen. Papandreou lehnte ab – die Eurozone war als Ganzes bedroht!

Warum lockte Griechenland die Spekulanten-Haie an? Weil sie sich sagten, wenn Griechenland fällt, dann fällt auch die Eurozone (glaubten sie jedenfalls). Denn nach Griechenland wären die nächsten Dominosteine Portugal, Belgien, Irland. Dann sei das Wasser voller Blut und würde alle Haie anlocken.

GS wird vorgeworfen, die Angriffe gegen die Eurozone mitgetragen zu haben. Der damalige britische Premierminister Gordon Brown wollte eine Untersuchung dieser Frage von GS. Christine Lagarde, damals französische Finanzministerin und heute Direktorin des IWF stellt klar : „Die Buchhaltungskosmetik war legal.“ Alle offiziellen Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass die Manipulation der griechischen Finanzen damals eine legale Operation war, wenn auch ethisch zweifelhaft. Doch das interessierte GS nicht. Von GS kam keine Entschuldigung, keine Reue, die Bank hatte sich nichts vorzuwerfen. Kann man aus ihrer Sicht fast verstehen. Moral war eh keine Kategorie für sie.

Am Ende gewinnt einmal mehr GS.

2011-2012 – Die Eroberung Europas

Griechenland lag am Boden, der Brand weitete sich aus, die Schwergewichte Spanien und Italien wankten ebenfalls. Die Rettung des Bankensektors in Europa kostete den Steuerzahler mehrere Hundert Milliarden Euro, liess Regierungen stürzen. Doch GS hält nichts auf. Einer ihrer schönsten Coups galt der Europäischen Zentralbank, stellt ARTE fest :

Am 9. Juni 2011 steht Mario Draghi, Kandidat für den EZB-Vorsitz, vorschriftsmässig den Europaabgeordneten in einer Anhörung Rede und Antwort. Mario Draghi, müssen Sie wissen, war von 2002-2005 stellvertretender Vorsitzender und Managing Direktor bei GS, anschliessend Gouverneur der Banca D´Italia, ist also Mitglied der „GS-Bruderschaft“. Der damalige französische Abgeordneten der Grünen, Pascal Canfin, hatte sich zum Ziel gesetzt, in der Anhörung Draghis Geheimnisse zu lüften. Er berichtet, in den Jahren 2002-05 habe Draghi, der für die Geschäfte mit Drittstaaten zuständig war, mit solchen Manipulationen zu tun gehabt, es sei schwer vorstellbar, dass er nichts gewusst habe. Indes Draghi zeigt in dem Hearing nicht die geringste Selbstkritik oder Zweifel an GS. Konnte man ihm trauen? Draghi erklärt, die Deals mit Griechenland hätten vor seiner Zeit stattgefunden, was stimmt, er hätte damit nichts zu tun gehabt, auch später nicht. Er sei nicht für die Arbeit mit Regierungen zuständig gewesen, sondern für den Privatsektor. Er habe unmittelbar nach den Manipulationen bei GS gearbeitet. GS sei kein Problem. Für Canfin stellt Draghi die Praktiken von GS nicht infrage. Auch das ist zweifellos richtig. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl, wenn man weiss, wie die verschworene Gemeinschaft von weltweit 23.000 GS-Bankern tickt.

Vier Monate später, EZB-Chef Trichet geht, feierliche Staffelübergabe an Mario Draghi in der Frankfurter Oper. GS hat es mal wieder geschafft und rekrutiert weitere europäische Spitzenpersönlichkeiten (oder liegt es nur daran, dass GS sich systematisch die Besten herauspickt?) :

  • Mario Monti, ehem. EU-Kommissar und ex-italienischer Regierungschef, langjähriger GS-Berater
  • Romano Prodi, ehem. Präsident der EU-Kommission und ital. Regierungschef, langjähriger GS-Berater
  • Otmar Issing, ehem. Direktoriumsmitglied der EZB aus Deutschland, setzt im Frühjahr 2010 auf ein Zerbrechen der Eurozone
  • Peter Sutherland, ehem. Britischer EU-Kommissar , seit 1995 tätig für GS
  • Lord Brian Griffiths, seit 1990 Vize-Vorsitzender von GS
  • Antonio Borges, Portugiese und ehem. Rechte Hand von ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn
  • Charles De Croisset, Vizepräsident von GS Europa, um nur einige zu nennen.

Plus ein Heer von Lobbyisten und ehemaligen EU-Beamten, die Brüssel zu ihrer Festung gemacht haben :

Und so arbeitet GS in Europa im Dunkeln, im Dienste einer Oligarchie von Wirtschaftsfachleuten und Politikern, wie eine Studentenverbindung. Die Ehemaligen von GS sind für die schlimmsten Auswüchse der Finanzkrise mitverantwortlich – sind sie die am besten als Retter geeigneten? Sie nehmen die GS-Kultur überallhin mit. Europäische Regierungsmitglieder von GS weigerten sich, ARTE zu empfangen.

Draghi-Vorgänger Trichet räumt vorsichtig ein Unbehagen in den alten Industrieländern ein, das schwer zu akzeptieren sei und meint zu seinem Nachfolger Draghi : „Gewisse ethische Fragen“ blieben offen. Sonst kein Kommentar!

Lucas Papademos, ehemals Gouverneur der griechischen Zentralbank, stellt fest, das Finanzsystem sei schwach, bestimmte Leute könnten indes sehr stark sein.

Europa erlebt eine Vereinnahmung der Politik durch die Banker. EU-Kommissar Barnier erinnert noch einmal daran, dass den Banken nach der Deregulierungswelle der Politik vor 10-15 Jahren alles erlaubt war. „Heute bauen wir die Regulierung wieder auf, kein Produkt, kein Markt und kein Finanzsektor wird ausgenommen. Wir können nicht so tun, als machten wir weiter wie bisher.“

Was bleibt, um die Finanzmacht von GS einzudämmen?

In der Bank selbst regt sich bei dem einen oder anderen das Gewissen. Der Rücktritt von Greg Smith 2012, eines der Vize-Präsidenten, nach 12 Jahren Mitarbeit, findet weltweites Echo. Smith beschuldigt GS, den Kapitalismus zu pervertieren, mehrfach wurden Kunden in E-mails als „Muppets“ diffamiert. „Occupy Wallstreet“ kommt auf (wenn auch wieder in der Versenkung verschwunden, Anm. d.R.), neue Gesetze werden erlassen auf beiden Seiten des Atlantiks zur Begrenzung der Risikobereitschaft der Banken, Beschränkungen der Manager-Boni. Nichts, was GS erschüttern könnte.

Wie können wir reagieren? Wir brauchen keine Banken dieser Grössenordnung! Wir sollten sie zerschlagen, lautet die mutige Schlussfolgerung. Doch bisher hat keiner gewagt, sich GS entgegenzustellen, geschweige denn mehr.

Wird GS überleben, fragt ARTE provozierend. Warum sollten sie nicht, fragt ein Journalist zurück. Die erfolgreichsten Tierarten sind der Hai, die Ratte, die Wespe, erinnert ARTE, sie haben die schlimmsten Katastrophen der Welt überlebt. Vielleicht ist GS auch so ein Tier. Vielleicht überleben sie auch noch uns.

WEITERE INFORMATIONEN :

http://www.wiwo.de/unternehmen/banken/europaeische-zentralbank-was-wusste-draghi-ueber-den-griechen-deal-von-goldman-sachs/12065928.html

http://www.arte.tv/guide/de/045773-000/goldman-sachs-eine-bank-lenkt-die-welt

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/derivategeschaefte-wie-goldman-sachs-den-griechen-zur-seite-sprang/3376400.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/goldman-sachs-manager-kuendigt-via-gastbeitrag-in-new-york-times-a-821358.html

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