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Juden und Muslime – So nah. Und doch so fern.

Teil III – Trennen, verbrennen (1789-1945)

Aufklärung und Französische Revolution 1789 ändern grundlegend die Voraussetzungen zwischen Juden und Muslimen. Das Zeitalter des Nationalismus, das 19. Jahrhundert, trägt seinen eigenen, unheilvollen Beitrag zu einer immer stärkeren Trennung der beiden Religionsgruppen bei. Ein besonderes Augenmerk des ARTE-Films vom Sommer 2015 wird dabei auf die Entwicklung in Algerien gelegt. Juden und Muslime driften immer weiter auseinander. Ein weiterer, gravierender Aspekt ist die Verstrickung Frankreichs und Grossbritanniens im Nahen Osten mit Folgen bis in unsere Zeit.

Und wie sah eigentlich die Lage in Palästina aus vor der Gründung des Staates Israel 1948?

Ende des 18. Jahrhundert schlägt nun die Stunde der Europäer. Im Zuge der wachsenden Industrialisierung häufen sie Reichtümer an und schreiben Geschichte. Mit der Französischen Revolution entsteht eine neue, freiere Welt, in der die Philosophie der Aufklärung der religiösen Diskriminierung ein Ende setzt. Juden sollten und konnten Teil dieser Bewegung sein – und nicht länger „Das Andere“. Für Europa war dies ein unglaublicher Fortschritt, vor allem aber für die Juden, die Pogrome und Ghettoisierung erlebt hatten. Das Motto lautete „Den Juden als Nation ist alles zu verweigern – den Juden als Individuum ist alles zu gewähren“. Dies bedeutete in der Praxis, dass die Juden innerhalb des Staates weder eine eigene Organisation noch eine eigene Ordnung begründen dürfen. Sie müssen Individuen bleiben. Die meisten anderen Staaten Westeuropas gewähren ebenfalls den Juden die Gleichberechtigung. Gleichzeitig schürt diese Emanzipationsbewegung antijüdische Ressentiments der Europäer. Es ging um die Frage, was die nationale Identität ausmacht, die sich erst entwickelte und die nicht gleichzusetzen war mit der jüdischen Identität. Denn Europa hatte gerade erst den Nationalstaat erfunden, eine besonders erfolgreiche politische Ordnung, die seine Macht stärkte.

Letzte Reformversuche des Osmanischen Reiches

carteDas Osmanische Reich hingegen war in einer langandauernden Spirale des Niedergangs aus Bruderkriegen, Korruption und Vetternwirtschaft gefangen. Weitere Faktoren waren der zunehmende technologische Rückstand gegenüber Europa und der selbstverschuldete Ausschluss aus dem Reformprojekt der Moderne, der europäischen Aufklärung. Für einen neuen Aufschwung beschliesst der Sultan, die Erfolgsrezepte seiner europäischen Nachbarn anzuwenden.

1856 schafft er die mittelalterliche Institution der „dhimma“ ab, die aus Juden und Christen Bürger mit eingeschränkten Rechten machte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist es möglich, von einer Emanzipation eines Grossteils der Juden in der islamischen Welt zu sprechen. Die Religion blieb in diesen Gesellschaften wichtig, aber sie bot nicht mehr die einzige Identität. Christen und Juden und Muslime wurden allmählich mit ihren jeweiligen Territorien identifiziert.

Erstarken der europäischen Juden und französische Staatsangehörigkeit für die algerischen Juden

Doch diese Haltung wird durch die europäischen Juden infrage gestellt. Einige von ihnen gehören in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien den neuen nationalen Eliten an. Diese kultivierten und reichen/mächtigen Juden interessieren sich immer stärker für ihre Glaubensbrüder in der islamischen Welt und beginnen, sich als ihre Beschützer zu fühlen. Dies gilt auch für den französischen Politiker Adolfe Crémieux, der 1860 die „Alliance israélite universelle“ zusammen mit einem Netz von Schulen in der gesamten muslimischen Welt vom Irak bis Marokko gründet. Als Unterstützer der Ideen der Französischen Revolution ist er der Meinung, dass das orientalische Judentum durch Bildung erneuert werden muss.  Mit den Schulen wurde den Juden die französische Kultur beigebracht

Nur in einem Land gab es keine Schulen für sie : In Algerien, seit 1830 französische Kolonie. Das Land war einfach annektiert worden. Die Bevölkerung wurde aufgeteilt in französische Bürger und Einheimische, letztere geniessen jedoch nicht dieselben Rechte. Jüdische Algerier gelten ebenfalls als Einheimische, für Crémieux ein unhaltbarer Zustand! Er will sie zu Franzosen machen. Sie wollen aber nicht, die algerischen Juden! Weil sie nicht auf ihre religiösen Gesetze verzichten wollen.

Darauf erlässt Crémieux, seit 1870 Justizminister, ein Dekret, das allen Juden der Kolonie die französische Staatsangehörigkeit verleiht, ohne sie auch nur zu fragen. Dieses Dekret besass einen hohen Symbolwert und war ein folgenschwerer Schritt! Das Gesetz empört die in Algerien ansässigen Europäer. Sie empfinden das Dekret als eine Provokation! Juden konnten keine Franzosen sein, weil sie Araber jüdischen Glaubens waren. Wenn die algerischen Juden die französische Staatsangehörigkeit bekamen, musste diese auch den arabischen Einheimischen gewährt werden. Wenn aber alle Bewohner Algeriens Franzosen wurden – was sollte dann aus dem französischen Algerien werden?! Ungeachtet dieses Widerstandes werden die Juden Franzosen. In der Folge beginnt, sich allmählich zwischen den Juden und den Muslimen ein Graben aufzutun.

Die Affäre Dreyfus führt zu Antisemitismus in Frankreich

aurore14 Jahre später, im Jahre 1894, bricht in Paris die berühmte Affäre Dreyfus aus. Der jüdische Hauptmann Dreyfus wird beschuldigt, den Deutschen geheime Dokumente zugespielt zu haben. Aufgrund falscher Beweise wird Dreyfus degradiert, aus der Armee entlassen und nach Französisch Guayana verbannt. In Frankreich löst die Affäre Dreyfus eine beispiellose Welle von Antisemitismus aus, die weltweites Echo findet. Selbst in Kairo setzt man sich für Dreyfus ein. Die seiner Zeitschrift Al-Manar spricht der Reformdenker und arabische Nationalist Raschid Rida in Kairo von französischem Rassismus. Er erklärt, die Europäer hätten ohnehin die Religion aufgegeben, deshalb könnten sie auch nicht aufgrund religiöser Überzeugung gehandelt haben. Als Moslem kritisiert er Frankreichs Verhalten diesem Juden gegenüber.

Antisemitisches Fieber in Europa und erster jüdischer Nationalismus von Theodor Herzl

Die Affäre Dreyfus war der Ausdruck eines antisemitischen Fiebers, das ganz Europa erfasst hatte. Immer wieder kam es Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Frankreich und Österreich zu antirassistischen Schmähreden und Unruhen. Im russischen Zarenreich häuften sich die Massaker und Pogrome an den Juden. In Österreich dagegen ist der Journalist Theodor Herzl, ein aschkenasischer Jude aus Osteuropa, bestürzt über die Lage der Juden in Europa und macht sich zu ihrem Sprecher. Für den traditionsbewussten Juden ist die Rückkehr nach Zion Teil seines fundamentalen Glaubens. Aber niemand erwartete, dass diese Rückkehr einfach so erfolgen würde. Für die strenggläubigen Juden konnte sie nur durch den Messias selbst erfolgen. Die zionistische Vorstellung von einem Judenstaat erschien ihnen damals anfangs ziemlich abwegig. Sich politisch zu organisieren, um nach Zion zurückzukehren, hiesse also, nicht mehr auf den Messias zu warten! Den strenggläubigen Juden aus Osteuropa fällt es schwer, diesen zentralen Teil des jüdischen Glaubens aufzugeben. Dennoch haben einige intellektuelle jüdische Denker Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, den jüdischen Nationalismus, den Zionismus, moralisch zu unterstützen. Doch keiner von ihnen hatte Erfolg – bis Herzl auftaucht!

Herzl war der Mann der Stunde, der den Zionismus auf die internationale Agenda setzte, was er seinem diplomatischen Geschicks und der Fähigkeit verdankte, den Eindruck zu erwecken, er repräsentiere das gesamte jüdische Volk, obwohl er niemanden hinter sich hatte. Unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre veröffentlichte Herzl 1896 sein Buch „Der Judenstaat“. 1898 gründete er die zionistische Weltorganisation aus Osteuropa nach dem Vorbild einiger nationalistischer Parteien Europas. Wie entsteht eine Nation? Es braucht ein Land, eine Sprache und eine Religion, plus eventuell eine historische Vergangenheit. Als jüdischer Nationalist gab es jedoch kein jüdisches Königreich in Osteuropa. Aber es gab eines im Heiligen Land!

Palästina, das Heilige Land für einen Judenstaat

IMG_3232Das Heilige Land, das war Palästina, für das Osmanische Reich „Südsyrien“ und von diesem beherrscht, auf das die zionistische Bewegung nun Anspruch erhebt. Im Namen aller jüdischen Königreiche, die es hier seit der Antike gegeben hat. In der Region lebten viele arabisch sprechende Juden, die sich jedoch vorerst kaum für den Plan eines jüdischen Nationalstaates interessierten. Die meisten Juden in muslimischen Staaten standen einem zionistischen Staat sehr ambivalent gegenüber, sofern sie überhaupt davon wussten. Sie waren auch keine Anti-Zionisten, Zionismus war ihnen einfach fremd, das war eine Sache der europäischen Juden.

Arabischer Nationalismus gegen die Osmanenherrschaft in „Südsyrien“, erste jüdische Siedler

Ende des 19. Jahrhunderts war der Zionismus nicht die einzige Nationalistische Bewegung, die sich an die Juden des Nahen Ostens richtete. Auch der arabische Nationalismus war auf dem Vormarsch, denn immer mehr Araber wollten sich von der Herrschaft der Osmanen (Türken) befreien. Einer der ersten ist der syrische Muslim, Abd Rahman Al-Kawakibi, ein religiöser Führer, der sich an die Juden, Christen und Muslime wandte. Doch er war Teil der panarabischen Bewegung, die die panarabische Idee wieder beleben wollte. Auch die Vorstellung, dass Juden, Muslime und Christen zusammenarbeiteten, gewann an Boden, eine Idee, die jedoch mehr als unrealistisch war. Denn in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erreichten Tausende von jüdischen Siedlern auf der Flucht vor dem europäischen Antisemitismus, vor allem in Osteuropa, Palästina. Die meisten werden von der jungen zionistischen Bewegung betreut. Sie leben damals in Frieden mit ihren arabischen Nachbarn. Diese Zuwanderung bereitet jedoch einigen arabischen Intellektuellen Sorge. Der libanesische Maronit Negib Azoury erklärt in seinem Buch „Le réveil de la nation arabe“, beide, der jüdische und der arabische Nationalismus, seien dazu bestimmt, sich solange zu bekämpfen, bis einer von ihnen siege. Das Schicksal der ganzen Welt wird vom Ausgang dieses Kampfes abhängen, der entgegengesetzte Prinzipien vertritt. Auch heute ist die Lage nicht anders.

Erster Weltkrieg und Balfour-Deklaration zugunsten von Arabern und Juden in Palästina

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, verbünden sich die Osmanen mit Deutschland und Österreich/ Ungarn gegen Frankreich, Grossbritannien und Russland. Schnell beschliessen die Alliierten, die Überreste des sterbenden Osmanischen Reiches im Falle eines Sieges aufzuteilen. Zionisten und Araber ihrerseits erheben beim britischen Empire Anspruch auf Palästina. Und die Briten geben ihnen ihr Versprechen – allerdings allen beiden!!

Am 2. November 1917 erhalten die Zionisten eine Garantie-Erklärung, die BalfourDeklaration: „ Die Regierung ihrer britischen Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern; wobei wohlbemerkt nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in anderen Ländern infrage stellen könnte“. Eine eindeutig zweideutige Erklärung.

Das Spiel wird immer komplizierter und die Katastrophe ist vorprogrammiert. Die Balfour-Erklärung gab den europäischen Juden die Identität einer nationalen Gemeinschaft. Die anderen, in Palästina ansässigen Araber wurden nicht einmal erwähnt, weder mit Namen noch mit ihrer Identität, wurden einfach als „nichtjüdische Gemeinschaften“ bezeichnet. Die meisten arabischen politischen Führer waren schockiert, sie erkannten, dass die Europäer es wirklich ernst meinten mit ihrer Absicht, dass die Juden sich in Palästina ansiedeln und ihren eigenen Staat errichten sollten. Von da an wurde die Idee eines jüdischen Staates für die Araber zu einer konkreten Gefahr.

Britische Besatzung von Palästina gefolgt von Zehntausenden jüdischen Zuwandern

1918 besetzen die Briten Palästina. Dank der Balfour-Deklaration steigt die jüdische Zuwanderung sehr schnell und kräftig an. Ziel der Zionisten ist eine mehrheitlich jüdische Bevölkerung in ganz Palästina ohne eine Teilung des Landes. Wie der zukünftige Judenstaat aussehen sollte, bleibt jedoch unklar. Autonomie der muslimischen Bevölkerung? Eine Art überkonfessioneller Staat? Andere nahmen an, die Araber würden freiwillig abwandern. Aber an eine Vertreibung dachte wohl niemand unter den Zionisten.

Innerhalb weniger Jahre treffen Zehntausende europäischer Juden in Palästina ein. Die Araber empfinden dies als eine regelrechte Invasion. Und ihre Einstellung zu den alteingesessenen Juden ändert sich radikal. Der Zionismus beharrte auf dem Anspruch, im Namen aller Juden auf der Welt zu sprechen. Die arabischen Nationalisten meinten daher, die Zionisten gäben auch die Meinung der arabischen Juden wieder oder sprächen für sie. Deshalb fielen die arabischen Juden aus dem Projekt eines arabischen Nationalismus heraus. Fortan wandte er sich nur noch an die arabischen Christen und die Muslime.

Das Juden-Massaker von Constantine 1934 und Französisierung Algeriens

Im französischen Algerien haben sich 60 Jahre seit dem Dekret Crémieux die Beziehungen der Juden zu den Muslimen gelockert. Die Lage der Juden hat sich verbessert, während sich die der muslimischen Einheimischen verschlechtert hat. In Constantine führt der Bürgermeister antisemitische Reden und die Bevölkerung lässt sich verführen. Antijüdische Aktionen häufen sich, die Stimmung wird unerträglich.

Im August 1934 beleidigt ein jüdischer Soldat eine Gruppe von Muslimen. Der Vorfall eskaliert und führt zu dem Massaker an den Juden von Constantine. Bis dahin waren die Juden vor allem mit europäischen Kolonisten aneinander geraten, die einen sehr heftigen Antisemitismus entwickelt hatten. Nun bekamen sie es zum ersten Mal auch mit den Muslimen zu tun. Dies hat sich bei den Juden tief ins Gedächtnis gegraben. Die französischen Soldaten griffen viel zu spät ein. Die Juden hatten endgültig das Gefühl, dass die Muslime zu ihren Feinden geworden waren. Das Pogrom von Constantine führte dazu, dass die Rabbiner alle Juden anwiesen, sich nicht mehr traditionell, sondern wie die Franzosen zu kleiden, um nicht mehr in der Öffentlichkeit als Juden erkennbar zu sein. Dies wiederum führte zu einer Beschleunigung der Französisierung Algeriens.

Nach dem Massaker von Constantine können die Juden ihren Status zwischen den Franzosen und Muslimen nicht mehr halten und den meisten von ihnen ist klar, dass ihr Schicksal nun auf Gedeih und Verderb mit Frankreich verbunden ist.

Hitlers Machtübernahme 1933 führt zu einer neuerlichen Emigrantenwelle in Palästina

1933 erwartet die Juden in Deutschland ein grausames Schicksal. Erneut ist das Leben europäischer Juden massiv bedroht. Die Angst vor Verfolgung treibt eine neue Welle jüdischer Emigranten nach Palästina, wo inzwischen die Rekordzahl von 20.000 Einwanderern erreicht wird! Zwar ist Europa zutiefst antisemitisch eingestellt, trotzdem übt ein Typus des jüdischen Emigranten, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, auf die Europäer eine gewisse Faszination aus. Der neue Mensch kommt nun nicht mehr aus dem sozialistischen Russland, sondern aus dem Heiligen Land. Diesmal erscheint es glaubhaft, dass die Juden in Palästina die Bevölkerungsmehrheit bilden werden.

Durch diese Entwicklung erreicht im Herbst 1937 der grosse arabische Aufstand  gegen die britische Mandatsherrschaft in Palästina und gegen die Zionisten seinen Höhepunkt. Er dauert drei Jahre und ist der grösste, antiimperialistische Aufstand im britischen Empire zwischen den Weltkriegen.

Weitere Polarisierung in Palästina durch die Hetze des Grossmuftis von Jerusalem

Der antisemitische Grossmufti von Jerusalem, Al-Husseini, beschliesst nun, die Angriffe der Palästinenser im Wesentlichen auf die britische Armee zu konzentrieren. Ein Teil der palästinensischen Gebiete gerät unter die Kontrolle arabischer Widerstandskämpfer. Die Briten übertragen den jüdischen Milizen die Verteidigung ihrer Kolonien und konzentrieren sich auf die brutale Niederschlagung des Aufstandes. Hunderte von Arabern werden erhängt! Die Altstadt von Jaffa wird dem Erdboden gleich gemacht, die Dörfer der Aufständischen werden zerstört.

jaffaNach diesem Aufstand wird die gesamte politische Führung der Araber verschwinden, allen voran der Mufti, der gezwungen ist, aus Jerusalem zu fliehen. Während die arabische Bevölkerung der harten Repression der Briten ausgesetzt ist, kann die jüdische Bevölkerung ihre Position stärken, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Obwohl die Araber militärisch geschlagen sind, beschliessen die Briten, einen Teil ihrer Forderungen zu erfüllen! Sie verkünden den Stop der jüdischen Einwanderung nach Palästina, ohne dass dies den Groll der Palästinenser besänftigen konnte. Zudem hat sich der Konflikt durch den Aufstand auf die Nachbarländer ausgeweitet.

In Ägypten organisiert die neugegründete Muslimbruderschaft gewaltige Demonstrationen, auf denen immer häufiger antijüdische Slogans zu hören sind. Die ägyptischen Juden werden attackiert, weil sie die Juden von Palästina unterstützen und die Muslimbrüder verstehen sich von Anfang an als Kämpfer gegen den Zionismus und das Judentum.

Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, Einflussnahme des Grossmuftis und Putsch gegen die Briten im Irak

1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus, Grossbritannien und Frankreich erklären Deutschland den Krieg. Auf welcher Seite stehen nun die arabischen Nationalisten? Die Nazis haben sie sehr hofiert, im Mittleren Osten wie auch im Maghreb. Sie versprachen den Arabern, sie von ihren Unterdrückern, den Briten und Juden, zu befreien, doch kaum jemand nahm klar Stellung für die Nazis. Jene, die nicht weiter nachdachten, waren von den Nazis fasziniert und arbeiteten mit ihnen zusammen, ohne an die Folgen zu denken.

Al-Husseini, der besagte Grossmufti von Jerusalem, liess sich am meisten in die Irre leiten. 1941 taucht er in Bagdad auf. Dort unterstützt er nazi-freundliche Offiziere bei einem Staatsstreich gegen den probritischen Regenten Abdullah. Zwei Monate später steht die britische Armee vor Bagdad und zwingt die Putschisten zur Flucht. Daraufhin kommt es zum FarhudMassaker an den Juden der Stadt. Daran waren Soldaten beteiligt, die in der Auseinandersetzung mit den Briten unterlegen waren sowie Stammesangehörige, die nur plündern wollten. Während dieser Angriffe beschützten viele Muslime Juden.

Der Grossmufti agitiert die europäischen Faschisten in Berlin und Rom gegen die Juden in Palästina

IMG_3299Nach der Einnahme Bagdads flieht der Grossmufti erneut, diesmal ins faschistische Italien und Nazi-Deutschland. Das Ansehen, das er in der arabischen Welt geniesst, macht ihn zu einer Trumpfkarte für die beiden totalitären Systeme. Regelmässig spricht der Mufti gar im deutschen Rundfunk und versucht, muslimische Soldaten für die Achsenmächte anzuwerben. Einmal wird er von Hitler empfangen, den er bittet, alles zu tun, um die jüdische Einwanderung nach Palästina zu stoppen. Der Mufti geht soweit vorzuschlagen, Juden nach Polen zu schicken. Natürlich weiss er 1943 von den deutschen Konzentrationslagern in Polen. Himmler selbst hat ihm gesagt, dass Deutschland die Juden auslöschen wird und bereits mehr als 3 Millionen von ihnen vernichtet hat! Unbeeindruckt setzt der Mufti seine antisemitische Propaganda fort, die sogenannte Endlösung als etwas Positives darzustellen!

Die prodeutsche Propaganda des Muftis bleibt indes praktisch wirkungslos. Bis auf einige Tausend Bosnier kämpfen nur wenige Muslime auf Seiten der Deutschen. Dagegen schliessen sich Hunderttausende den britischen und französischen Truppen an! Der Mufti seinerseits pendelt zwischen Rom und Berlin.

Diskriminierung der Juden in Frankreich und Algerien unter deutschem Einfluss

In Frankreich ist Marschall Pétain der Statthalter Deutschlands und verfolgt seine Politik der Kollaboration. Bereits 1940 hat sein Regime eine Reihe von antijüdischen Gesetzen erlassen, die der spätere Mohammed V. auf marokkanischem Territorium anwenden soll. Einige jüdische Notabeln gingen daraufhin zum Sultan und baten ihn, diese Gesetze, unter dem Druck des Vichy-Regimes erlassen, nicht anzuwenden. Sie seien dhimmis und er müsste ihr Leben und Hab und Gut schützen. Was er auch tat! Marokko war keine Kolonie, sondern ein Protektorat, in dem die französischen Gesetze nicht galten.

In den französischen Departements von Algerien hingegen verfügt Marschall Pétain über uneingeschränkte Macht und kann den Juden die französische Staatsbürgerschaft entziehen. Politisch und juristisch befinden sie sich damit in einer Art Niemandsland. Laut den antisemitischen Gesetzen des Vichy-Regimes stehen die Juden jetzt sogar unter den muslimischen Einheimischen. Machtlos müssen diese zusehen, wie Frankreich die jüdische Bevölkerung schikaniert. Es gibt jedoch keine Schadenfreude unter ihnen, sie betrachten dies eher als ein Drama.

IMG_3268Am 8.5.1945 geht der Zweite Weltkrieg zu Ende. Das Grauen der Konzentrationslager, in denen 6 Millionen Juden ermordet wurden, kommt ans Licht. In Europa ist Unvorstellbares geschehen und die Schockwelle erreicht einmal mehr den Nahen Osten und Nordafrika. Dennoch ist 1945 die gemeinsame muslimisch-jüdische Kultur immer noch sehr lebendig, in Bagdad, Kairo oder Algier. Juden und Muslime teilen Freud und Leid und sprechen dieselbe Sprache. Wenn die Juden von Gott sprechen, sprechen sie von Allah. Es gibt Gebete oder liturgische Gesänge in arabischer Sprache. Grosse Teile der Pessach-Liturgie werden in arabischer Sprache gehalten. Das ist das Tragische, Herzzerreissende an dieser Situation. Wie können sich Juden und Muslime so nah sein und sich doch so weit voneinander entfernen?!

150 Jahre nach der Französischen Revolution von 1789 sind diese Bande durch das Vordringen Europas, insb. Frankreichs und Grossbritanniens, nach Nordafrika und in den Mittleren Osten zerrissen.

http://www.arte.tv/guide/de/042499-000-A/juden-muslime-so-nah-und-doch-so-fern-3-4

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