Juden und Muslime – So nah. Und doch so fern.
Teil IV – „Erinnern, streiten, bekriegen“ (seit 1947)
Das ist die traurige Bilanz bis heute. Seit 1300 Jahren leben Juden und Muslime zusammen, niemals gab es einen totalen Bruch. Bis die Zionisten und arabischen Nationalisten sich Anfang des 20. Jahrhunderts daran machen, das Band zu zerschneiden. Durch die Schaffung des Staates Israel. Die tragischerweise zu neuen Kriegen in der Region führte und bis in die Gegenwart die Gemüter spaltet.
1945 erfährt die Weltbevölkerung, dass 6 Millionen europäische Juden von den Nazis in den Konzentrationslagern ermordet wurden. Die Shoah hat das Selbstbild der Juden enorm verändert, erläutert ARTE in seiner letzten Folge. Fortan sieht sich jeder Jude weltweit als Überlebender, das heisst ein Mensch, der sich bedroht fühlt, allein weil er existiert. Ein Mensch, für den also die Frage der Sicherheit von zentraler Bedeutung ist. Von dem Moment an wurde ein jüdischer Staat für die Juden der ganzen Welt zu einer Notwendigkeit. Was einmal geschehen konnte, könnte wieder geschehen. Das Wort „Nie wieder“ gewann überragende Bedeutung.
Auch die Staatsoberhäupter der ganzen Welt waren inzwischen davon überzeugt, dass die Juden zu ihrem Schutz unbedingt einen eigenen Staat benötigten. Diesen Staat wollten die Zionisten bereits seit Jahrzehnten in Palästina errichten. In Palästina wohnen indes bereits 1.240.000 Araber und 550.000 Juden, die dort unter wachsenden Schwierigkeiten zusammenleben. Die meisten von ihnen sind europäische Juden, die in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Antisemitismus insb. in Osteuropa geflohen waren.
Doch für die Araber dort und anderswo ist der Plan, einen jüdischen Staat zu schaffen, unannehmbar. Sie meinten, das sei ein Problem der europäischen Juden, der Holocaust ein Problem der europäischen Politik. Sie konnten mit den Juden als Zivilpersonen sympathisieren, nicht jedoch sich mit ihnen anfreunden, ihnen helfen und ihre Probleme lösen, indem sie ihr Land räumten.
Aufteilung Palästinas durch die UNO 1947 und Ausrufung des Staates Israel 1948
Im Februar 1947 verkünden die Briten, sie wollten ihr Mandat über Palästina abgeben. Im November 1947 beschliesst die UNO die Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat, in einer Wirtschaftsunion, mit demokratischen Verfassungen. Die Juden akzeptieren den Plan – die Araber lehnen ihn ab. Sofort bricht zwischen den beiden Parteien ein Bürgerkrieg aus, den die Juden gewinnen.
Am 15. Mai 1948 verliest David Ben Gurion die israelische Unabhängigkeitserklärung vor der UNO. Einen Tag später greifen Ägypten, Syrien, Transjordanien und der Irak den neuen Staat an. Aus in jeder Hinsicht unterlegener Position geht Israel dabei als Sieger hervor. Dadurch verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen weltweit abrupt. Auf beiden Seiten setzt sich der Gedanke fest, dass diejenigen, mit denen man 1300 Jahre friedlich zusammengelebt hatte, in Wirklichkeit nationalistische Feinde waren! Während die Gründung des Staates Israel in der arabischen Welt Wut und Verbitterung auslöst, bricht die jüdische Welt in Jubel aus!
Für die Juden bedeutete der Staat Israel eine Art Revanche: Sie konnten fortan ihr Schicksal endlich in die eigene Hand nehmen und hatten wieder eine Zukunft. Doch dafür musste ein anderes Volk in Palästina Platz machen. Es kam zu einem menschlichen Drama, der vollständigen Niederlage der Palästinenser. Aus manchen Gegenden wurden sie vertrieben, anderswo gingen sie selbst auf die Flucht. Bis heute ist nicht bewiesen, dass die Vertreibung Teil der geostrategischen Ziele dieses Krieges war. Das Entscheidende war, dass die Palästinenser nicht zurückkehren durften. Dörfer wurden zerstört, Ernten in Brand gesteckt. Flüchtlinge, die versuchten zurückzukehren, wurden erschossen. Innerhalb weniger Wochen lassen 700.000 palästinensische Araber ihre Häuser und Obstplantagen zurück, ohne zu ahnen, dass sie ihre Heimat nie wiedersehen würden. Diese Tragödie wird im arabischen Sprachgebrauch nakba genannt, das heisst „Katastrophe“ (wie auch das Wort „Shoah“ auf Hebräisch). Nach 1948 war ihre Identität die von Heimatvertriebenen. Die Palästinenser finden Zuflucht im Westjordanland, im Gaza-Streifen, im Libanon und anderen Ländern der Region. Sie werden zu Staatenlosen – wie einst die Juden jahrhundertelang.
Doch in ihrer Freude über einen eigenen Staat nehmen die Israelis keine Notiz von diesem schmerzlichen Heimatverlust der Araber. Die Zionisten glauben, dass die Juden in aller Welt eine Einheit bilden, le peuple juif, und dass es dazu bestimmt sei, im Staat Israel zu leben. Für sie existieren die Palästinenser gar nicht. Sie waren einfach Araber und damit Teil eines grösseren Volkes und eines grösseren Territoriums. Es war also keine grosse Sache, sie ein Stück weiter weg anzusiedeln.
Nach der Staatsgründung 1948 leben 150.000 palästinensische Araber weiter im Lande, erhalten jedoch die israelische Nationalität. Sie sind diskriminierte Bürger eines Staates, dessen blosse Existenz ihnen Schmerzen bereitet. Denn sie erinnert die Israelis daran, dass einst auch Araber auf diesem Land lebten. Für die arabischen Nachbarstaaten verkörpern einzig die Vertriebenen das tragische Schicksal der Palästinenser. Den Preis für diese Tragödie werden die Juden in der muslimischen Welt bezahlen.
Vertreibung der irakischen Juden nach Israel
Im Irak breitete sich nach 1948 antisemitischer Hass gegen die Juden aus. Stellen in der Verwaltung wurden ihnen verweigert ebenso wie Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten usw. Der Hass kulminierte in der Ansicht, die Juden sollten das Land verlassen. Es musste rasch gehandelt werden. Irakische und israelische Regierung wollten beide eine Massenauswanderung der Juden nach Israel. Den irakischen Juden zerreisst es das Herz : Nie zuvor mussten sie entscheiden, ob sie Juden oder Araber sein wollten. Die Zeiten der Mehrfachidentitäten waren vorbei.
Ähnlich wie im Irak nehmen auch im Libanon, in Syrien und Ägypten die antisemitischen Übergriffe zu und treiben die Juden ins Exil. Israel spielt bei diesem Exodus eine aktive Rolle. Durch die Jewish Agency weiss der junge Staat Menschen zu überzeugen. Sie redeten von Aliya, der Rückkehr ins Heilige Land. Sie gingen ins Heilige Land, weil Jerusalem in ihren Gebeten allgegenwärtig war. Aber auch, weil viele bettelarm waren und die zionistischen Organisationen ihnen Unterkunft und Arbeit versprachen. Nach einem Besuch der Jewish Agency verlassen Zehntausend Dorfbewohner ihr Hab, Gut und Heimat. Es darf hier auch nicht vergessen werden, dass die Juden in fast all diesen Ländern lange vor den Arabern ansässig waren. Die irakischen Juden betrachteten sich weniger als Araber, denn als Iraker. Dasselbe galt für die marokkanischen oder tunesischen Juden. Es war also nicht leicht für sie, sich von einem Land zu verabschieden, in dem sie seit 2000 Jahren lebten! Und in dem sie sich zur Urbevölkerung zählten. Der Abschied hat die Menschen regelrecht traumatisiert. Auch die Muslime empfanden das als eine Art Amputation.
Die Juden in Marokko – Amputiert, vergessen, verschwunden
Amputiert, vergessen, verschwunden : Auf diesem Fundament wird das moderne Marokko errichtet, das einen Teil seiner Identität verloren hat. Bei ihrer Ankunft in Israel sind viele marokkanischen Juden schockiert: Der neue Staat wird von den aschkenasischen Juden aus Europa geplant und errichtet. In deren Augen sind alle Juden aus der muslimischen Welt orientalische Juden. Und ihr Empfang entspricht ganz und gar nicht ihren Erwartungen: Sie kamen in ihren besten Kleidern, mehr durften sie nicht mitnehmen – und wurden mit DDT besprüht! Sie wurden in Zeltstädten untergebracht und waren jetzt einem Staat unterworfen, der ihr ganzes Leben kontrollierte. Welch ein Schock! Damals gab es regelrechten Rassismus der Aschkenasen gegen-über den orientalischen Juden, in der Bildung, der Unterkunft und im Beruf wurden sie diskriminiert. Selbst Ben Gurion und Golda Meir betrachteten diese Juden als primitive Menschen, die unmöglich zu integrieren seien.
Unabhängigkeit Marokkos und Tunesiens 1956
In Marokko und Tunesien beginnt die letzte Phase des Unabhängigkeitskampfes. An diesem Kampf beteiligen sich auch zahlreiche Juden, die ihre Zukunft weder in Frankreich, noch in Israel sehen und einfach in ihrem Heimatland bleiben möchten. 1956 werden Tunesien und Marokko unabhängig. Auf dem Papier sind Juden und Muslime nun vollwertige Bürger der beiden Staaten. Wie würde dies in der Praxis aussehen? In Marokko gab es sogar einen jüdischen Minister, damit wollte das unabhängige Marokko eine neue Ära einleiten. Leider war dies nicht von Dauer. Die neue Freiheit wird von einem übersteigerten Nationalismus begleitet, es ist wichtiger denn je, Araber und Muslim zu sein. Die Juden stellen fest, es gibt keinen Platz mehr für Minderheiten.
Gamal Abdel Nasser und die Suezkrise 1956 in Ägypten
Kairo 1956: Seit zwei Jahren liegt die Macht in den Händen eines nationalistischen Offiziers mit festen, nationalistischen Überzeugungen : Gamal Abdel Nasser, in der gesamten arabischen Welt populär. Diese Popularität beruht auf seiner Verbundenheit mit Palästina, dessen Befreiung er gelobt hat. Nasser schuf eine neue Regierungsform im Nationalstaat Ägypten und wollte die gesamte arabische Welt um sich scharen.
Am 26.7.1956 verstaatlicht Nasser die Suezkanal-Gesellschaft mit deren Hauptaktionären Frankreich und Grossbritannien. London und Paris reagieren mit einem Angriff auf Ägypten. Auch Israel, dessen Schiffe von Nasser blockiert wurden, schliesst sich der Intervention an. Umgehend fordern die USA den Abzug der britischen, französischen und israelischen Truppen, und die Militäraktion wird rasch beendet. Wenige Monate später erklärt Nasser die ägyptischen Juden zu Zionisten und Staatsfeinden, worauf die Hälfte der 50.000 Juden das Land verlässt. Ihr Hab und Gut wird konfisziert. Damit beginnt die Ära der Dämonisierung, in der jeder den anderen wie in einem Zerrspiegel als Monster sieht. Für Israel ist Nasser nichts weniger als die Reinkarnation von Adolf Hitler.
Algerienkrieg 1954 – 1962
Die Aufrüstung in Ägypten schürt Ängste in Israel, der Holocaust war noch nicht so lange vorbei. Nassers Ägypten ist auch den Franzosen ein Dorn im Auge. Nasser gehört nämlich zu den ersten Unterstützern der algerischen Befreiungsfront FLN, die seit 1954 gegen Frankreich kämpft. Im Krieg für die Unabhängigkeit sitzen die algerischen Juden zwischen allen Stühlen. Obwohl sie seit dem Dekret Crémieux französische Staatsbürger sind, stehen sie weiter den Muslimen nahe. Cheikh Raymond, ein berühmter französisch-jüdischer Sänger, der auf Arabisch singt, fällt 1961 einem Attentat zum Opfer. Wie wenige verkörperte er die jüdisch-arabische Symbiose, ein Zusammenleben war unmöglich geworden! In einem unabhängigen Algerien ist unsere Lage hoffnungslos, sagten sich die Juden. Es ist nicht bekannt, wer ihn ermordet hat, ein Anhänger der FLN oder ein Partisan der französischen Kolonialherren? Daraufhin emigrieren fast alle Juden nach Frankreich. Im Pariser Viertel Belleville leben Juden und Muslime wieder genauso zusammen wie auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Die eine Seite des Boulevard de Belleville ist muslimisch, die andere jüdisch. In jüdischen Kaffeehäusern kellnern Muslime.
Auch in Tunesien hätte ein Funken genügt, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.
Der Sechs-Tage-Krieg 1967
Im Juni 1967 dann explodiert das Pulverfass im Nahen Osten : Ein neuer israelisch-arabischer Krieg. Auslöser war ein Verteidigungspakt Syriens mit Ägypten 1966 und schliesslich auch mit Jordanien und Irak. Ägypten hatte die UN-Truppen von Sinai und Gazastreifen vertrieben und blockierte Israel den Zugang zu den Schifffahrtswegen. Vier arabische Staaten gegen den jüdischen Staat. Der Krieg dauert nur sechs Tage. In der ersten Stunde des Konflikts rechnen alle mit einer Niederlage Israels. Doch Israel ist vorbereitet und zerstört in einem Präventivschlag Ägyptens gesamte Luftwaffe, gefolgt von der der Syrier und Jordanier. In Israel weckte der Krieg alte Ängste. Kurz darauf kippte die Stimmung ins Gegenteil, denn die israelische Armee hatte einen unbeschreiblichen, triumphalen Sieg errungen. Sie hatte die ägyptische Sinai-Halbinsel erobert, die syrischen Golan-Höhen sowie Ost-Jerusalem und das Westjordanland.
Nach dem Sechs-Tage-Krieg, deren Grenzen politischer Bezugspunkt bis heute sind, waren die jüdischen Gemeinden in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien ungeheuer stolz auf Israel. 20-25 Jahre nach Hitlers Endlösung tanzten die Juden auf Hitlers Grab! Die Juden gingen vor Begeisterung auf die Strassen. In Europa und den USA demonstrierten auch viele Nichtjuden und bekundeten so ihre Solidarität mit dem jüdischen Staat.
Besatzung Israel in der Westbank und im Gazastreifen
Durch den Sieg entstand ein neues Überlegenheitsgefühl bei den Israelis. Sie hatten das Gefühl, alle arabischen Armeen besiegen zu können. Sie meinten, in den nun besetzten Gebieten bleiben zu können und hatten nicht die Absicht, sich wieder zurückzuziehen. Tatsächlich errichten sie eine Militärherrschaft und kontrollierten das gesamte Leben des Westjordanlandes und des Gazastreifens, fast eine Million Menschen. Eine ganze Generation von Palästinensern wächst unter diesem demütigenden Regime auf und muss zusehen, wie israelische Siedler ihr Land annektieren. Überall in der arabischen Welt wird dies, bis hin zum 11. September 2001, als schmerzliche Erniedrigung empfunden.
In Paris wird das Zusammenleben von Juden und Muslimen immer schwieriger. Ein Jahr nach dem Ausbruch des Sechs-Tage-Krieges kommt es nach einem Kartenspiel zum offenen Konflikt, es fallen Schüsse. Etwas ist zerbrochen, so als würden die beiden Glaubensgemeinschaften von nun an durch ein unsichtbares Schwert getrennt.
Vertreibung der Juden aus dem Irak unter Saddam Hussein
Alle Muslime weltweit sind jetzt verpflichtet, die palästinensische Sache zu unterstützen, während von den Juden Solidarität mit Israel erwartet wird. Der Konflikt wird sogar in den USA spürbar. Während die mächtigen USA versuchen, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, greift im Irak ein junger, nationalistisch gesinnter Offizier namens Saddam Hussein nach der Macht. Als erstes bekämpft er die Juden, die noch in Bagdad leben. Eine Zeit der Verfolgung von Juden, von öffentlichen Hinrichtungen, Festnahmen brach an; am Ende wollten viele Juden das Land nur noch verlassen (1970/71). Manche sagten, es ging dabei nicht um die Terrorisierung der Juden, sondern der gesamten Bevölkerung des Irak. Hussein weiss, dass niemand die Juden verteidigen wird. Sie werden mittlerweile als „natürliche Feinde“ der arabischen Nation wahrgenommen, genauso wie die Palästinenser die Feinde der jungen israelischen Nation sind. Nur die irakischen Juden, die in den Fünfziger Jahren nach Israel emigriert sind, betrachten sich immer noch hartnäckig als Araber… und werden stigmatisiert.
In Algerien versuchen die Menschen, jede Erinnerung an die jüdische Vergangenheit auszumerzen. Doch die Erinnerung an die jüdischen Vierteil in Algier lebt weiter in den Familien und in der Kultur. Die offizielle Lesart lautet „Algerien ist arabisch und muslimisch“. In Algerien herrscht eine regelrechte Amnesie in Bezug auf die Geschichte der Juden, wegen der Umstände ihrer Emigration und der Kolonialgeschichte. Hinzu kommen ideologische Gründe wie der israelisch-palästinensische Konflikt. Das Judentum dort ist heute ein extrem sensibles Thema und wird als politisch nicht korrekt betrachtet.
Geiselnahme des israelischen Olympiateams in München 1972
Am 5. September 1972 wird das israelische Olympiateam in München Opfer eines Attentats. Eine neue Figur betritt die Weltbühne : Der palästinensische Terrorist. Israelische Sportler werden von einer palästinensischen Terrorgruppe, dem „Schwarzen September“, als Geiseln genommen. Ihre Forderung lautet die Freilassung von 234 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen. Das Drama endet blutig aufgrund des Dilettantismus der deutschen Polizei. Alle Sportler werden ermordet. Der palästinensische Terrorist wird im Westen fortan zu einer gefürchteten und verhassten Figur, vor allem in der jüdischen Diaspora, wo die Ermordung von Juden auf deutschem Boden noch ganz andere Erinnerungen weckt. In diesen Jahren dürfen die palästinensischen Flüchtlinge nach Libyen ziehen, wo sie von Gaddhafi und einer grossen Schar von Muslimen überschwänglich empfangen werden. Als die Olympischen Spiele in München wegen des Anschlages unterbrochen werden, nehmen die arabischen Staaten nicht an der Trauerfeier für die Opfer teil.
Nach der Geiselnahme von München häufen sich palästinensische Flugzeugentführungen und Attentate. Nach so vielen Niederlagen wird der palästinensische Terrorismus von einem Grossteil der Araber als legitimes Mittel angesehen. Nur so könne die ganze Welt gezwungen werden, sich an die Nakba zu erinnern, die Katastrophe von 1948 wird zum Gründungsmythos eines Volkes im Exil. Durch die Gewalt in München und anderswo wurden die Amerikaner und Europäer erst aufmerksam auf das, was im israelischen Palästina geschah. So führten diese Ereignisse zu einer paradoxen Situation : Während einerseits Israel eine solide Unterstützung fand, wurde gleichzeitig zum ersten Mal die nationale Selbstdarstellung Israels hinterfragt. Alle Protagonisten des israelisch-arabischen Konflikts rechtfertigen sich mit dem Leid ihres Volkes und weigern sich, das der anderen zur Kenntnis zu nehmen.
Jom-Kippur-Krieg Oktober 1973
Ein endloser Kreislauf des Hasses, der im Oktober 1973 durch einen erneuten israelisch-arabischen Krieg in Gang gehalten wird (Jom-Kippur-Krieg), am höchsten jüdischen Feiertag. Unter dem neuen ägyptischen Präsidenten Anwar El-Sadat griffen die ägyptischen und syrischen Truppen Israel nach jahrelangem Abnutzungskrieg am Suezkanal und auf den Golanhöhen an. Israel war völlig überrascht, die Lage ernst. Selbst die Atomraketen wurden für alle Fälle startklar gemacht. Nach hohen Anfangsverlusten gelingt es Israel, mit amerikanischer Unterstützung das Blatt zu wenden. Auch die Waffenlieferungen der Sowjets an Ägypten und Syrien ändern daran nichts mehr. Nachdem israelische Soldaten 70km vor Kairo stehen, willigt Sadat in einen Waffenstillstand ein. Das militärische Überlegenheitsgefühl der Israelis seit 1967 war dahin. Immerhin war der Krieg eine Ausgangsbasis für Friedensverhandlungen seitens Ägyptens.
Im November 1977 überrascht Präsident Sadat die Welt mit einem historischen Besuch in Jerusalem! Er hatte Mut! Sadat versuchte, die psychologischen Barrieren zu durchbrechen. Er meinte, wenn die Israelis sähen, dass Ägypten das stärkste arabische Land, Frieden mit ihnen schliessen wolle, dann hätten sie keinen Vorwand mehr zu behaupten, Angst vor den Arabern zu haben oder einem Friedensabkommen nicht zuzustimmen.
Friedensvertrag Ägyptens mit Israel und Anerkennung des Staates Israel
In der arabischen Welt kommt es zu zahlreichen Demonstrationen gegen Sadats Friedenspläne. Trotz der langen Reihe von Kriegen ist die öffentliche Meinung nicht bereit, die Existenz Israels anzuerkennen. Sadats Versuch der Verständigung mit Israel wurde fast überall in der arabischen Welt als Betrug, als Ausverkauf der arabischen und muslimischen Identität betrachtet. Denn Israel war seit vielen Jahren Staatsfeind Nr.1. Israel galt als Ursache für den ausbleibenden Erfolg der Araber, in sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Als Sadat nach Israel fuhr und dem israelischen Premier Rabin die Hand schüttelte, wurde das als ultimativer Verrat an der arabischen Identität angesehen. Diesen Verrat sollte Präsident Sadat mit dem Leben bezahlen: Am 6.10.1981 wird er von einem ägyptischen Offizier und geheimem Mitglied der Terrorgruppe „Al-Dschihad“ ermordet. Das Ereignis findet weltweiten Widerhall. Für viele Muslime hat Sadat sein Schicksal verdient. Die Juden hingegen beklagen den Tod des arabischen Staatschefs, der die Existenz Israels anerkannt hat.
Erste Intifada 1987
Doch der Traum vom Frieden zerbricht angesichts der Realität vor Ort. Im Dezember 1987 beginnt die 1. Intifada, ein spontaner Aufstand gegen die israelische Besetzung des Westjordanlandes und Gazas seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967. Die Besetzung geht mit Demütigungen und vor allem der Besetzung palästinensischer Gebiete und einem ungebrochenen Ausbau der Siedlungen einher. Im Zeitalter der Massenmedien gehen diese Bilder um die Welt, Kinder bewaffnen sich mit Steinen, um gegen schwer bewaffnete israelische Soldaten zu kämpfen. Der jüdische Staat mag militärisch stärker sein denn je – den Krieg gegen die Bilder wird er verlieren. Ab 1993 wird im Osloer Friedensprozess zwischen PLO und Israel versucht, die Lage zu entschärfen. Israel und die PLO erkennen sich gegenseitig an. Der Aufstand flaut ab. Aber unverzeihlich für manche in Israel. Zwei Jahre später wird der israelische Ministerpräsident Itzak Rabin, Friedensnobelpreisträger gemeinsam mit Aussenminister Shimon Peres und Palästinenserpräsident Arafat, am 4. November 1995 von einem israelischen Nationalisten ermordet. „Die Gewalt zerstört die israelische Demokratie“ hatte er gesagt….
Im Juli 2000 scheitert Oslo I und II nach dem sog. Camp-David-Treffen vermittelt von den USA zwischen Arafat und Barak. Darauf folgt im September die 2. Intifada, ausgelöst durch den Besuch von Oppositionspolitiker Ariel Scharon auf dem Jerusalemer Tempelberg, der als Provokation empfunden wird. Dieser Aufstand wird viel stärker von radikalen Untergrundgruppen wie der Hamas dominiert. Er äussert sich insb. durch Selbstmordattentate der Palästinenser im israelischen Kernland und führt 2003 zum Bau der Sperranlage (8 m hohe Mauer) um das Westjordanland und den Gazastreifen sowie mehreren Militäraktionen inkl. gezielten Tötungen von Hamas-Mitgliedern.
2005 versucht Ministerpräsident „Bulldozer“ Ariel Scharon die Aktion „Land gegen Frieden“. Israel zieht sich einseitig, ohne Abkommen, aus dem Gazastreifen zurück. Die Mehrheit der Israelis war dafür. Trotzdem zerreissen die Bilder der Räumung von 21 israelischen Siedlungen das Land bis heute und haben weitere Räumungen israelischer Siedlungen verhindert.
Seit der Ermordung von Ministerpräsident Rabin ist der Friedensprozess im Nahen Osten klinisch tot. Das Land ist in der Sackgasse, das Siedlungsprogramm spaltet, das politische Klima, dominiert von der Rechten, heizt sich gar immer mehr religiös auf. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Schon ist hier und da jüngst die Rede von einer „Messer-Intifada“…
Der Sechstagekrieg 1967 : https://www.tagesschau.de/jahresrueckblick/meldung221696.html
Jom-Kippur-Krieg: „Israels Mythos ist schwer erschüttert“ : http://www.spiegel.de/spiegel/a-111353.html
http://www.vorwaerts.de/artikel/einseitige-abzug-israels-gaza-frieden-fuehrte