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Masada – 900 jüdische Selbstmörder gegen Rom 

Was für ein massiver, abweisender Klotz, der da unvermittelt steil aus der Landschaft herausragt, 434 m hoch, 580 m lang, einen Steinwurf entfernt vom Toten Meer! Also ob überirdische Kräfte ihn in einem Kraftakt aus dem Boden gestemmt hätten. Alles in braun-beige-weiβ. Erbarmungslose Mittagshitze in der Judäischen Wüste. Der Besucher blinzelt überrascht, als traute er seinen Augen nicht. Und da hinauf wollen wir? Wie das? Zum Beispiel per pedes, doch, das geht. Unerschrockene können den Weg nach oben zu der riesigen Festung von König Herodes in einer anstrengenden, einstündigen Wanderung erklimmen. Bequemer geht es zum Glück in wenigen Minuten per Seilbahn. Die Bergstation, ein stählernes Adlernest über dem Abgrund. Stählerne Pfade geleiten die Besucher weiter die Felswand entlang bis hinauf zum Felsplateau, vorbei an ein paar jungen, israelischen Soldaten, Finger am Abzug, für alle Fälle.

Im Vorbeigehen ein Blick in die schwindelerregende Tiefe. Die Drahtseile der Seilbahn verlieren sich im flirrenden Nichts des Ufers des Toten Meeres, weiβlicher, zerklüfteter Grund vom Abbau seines kostbaren Heilschlammes. Alles ist staubtrocken, bis auf ein kurzes Palmenband beiderseits der Zufahrtstraβe zum Eingang des Nationalparks Masada. Auf dem ersten Felsplateau erwartet uns unter einem Sonnenschutz ein Modell von König Herodes´ Palastanlage, seine Fluchtburg. Apropos flüchten: Der Besucher flüchtet sich bei jeder Gelegenheit in den raren Schatten. Auch die Raben, die uns beobachten, hecheln mit offenem Schnabel bei 37 Grad Hitze.

Masada Zeitzeuge der Geschichte

Masada, erbaut in den Jahren 37 – 31 v. Chr. von Herodes dem Groβen, wie er genannt wird, ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur zählt die Bergfestung zu den eindrucksvollsten und meistbesuchtesten archäologischen Stätten Israels. Masada spielt auch im kollektiven Selbstverständnis des Landes eine ganz besondere Rolle : Nie wieder darf Masada fallen, heiβt es in der Vereidigung der israelischen Soldaten. Nie wieder ein kollektiver Selbstmord von über 900 Juden, nach dreijähriger römischer Belagerung. Seht, wie sie sich behauptet haben und bis zur Selbstaufgabe Widerstand geleistet haben! Selbst wenn es ein Weilchen her ist. Und nehmt es Euch zum Beispiel…

Masada ist Zeitzeuge der Geschichte: Mehr als einmal brachte König Herodes sich und seine Familie auf diesem unzugänglichen Felsennest in Sicherheit, wenn in der Ebene Gefahr drohte, sei es von den Parthern, sei es, als Kaiser Oktavian 31 v. Chr. über Antonius und Kleopatra gesiegt hatte.

Unter gleiβender Sonne wandert der Besucher benommen auf der ersten der drei Terrassen dieser luxuriösen Wüstenfestung umher mit den Resten der Thermen und des Lagerhauses, inklusive zwölf riesige Zisternen zum Auffangen von Wasser für den Fall der Belagerung – von allem nicht viel mehr übrig als die Grundmauern. Alsbald erreicht er die Felskante und kann einen Blick in den Abgrund werfen, auf die Hauptteile von Herodes´ Palast an der strategisch günstigen Nordspitze, die kühnste Konstruktion, stufenförmig in den Berghang gehauen, mit der mittleren und der unteren Terrasse. Auf der mittleren Terrasse ist noch das Rondell zu erkennen, das die Archäologen heute als Lusthaus des Königs interpretieren. Das Dach ist wie üblich in den Wirren der 2000-jährigen Geschichte des Ortes untergegangen. Neben Herodes´ Residenz wurde sogar ein Schwimmbecken gefunden. Und die untere Terrasse, 14 m tiefer, über stählerne Treppen zu erreichen, kann er nur erahnen. An dieser Stelle soll sich ein von Säulen umgebener Innenhof befunden haben, mit weitem Blick in die Landschaft, auf dem der mächtige König Besucher empfangen haben soll. „Schaut – alles mein“, mag er ihnen mit weit ausholender Armbewegung gesagt haben. Was wussten sie schon von seinen Gegnern…

Römische Belagerung der Aufständischen

Der Besucher setzt seinen Weg fort, an den Resten der ältesten Synagoge der Welt vorbei und arbeitet sich zur Westflanke vor, von wo aus die Römer ihre 200 m lange Rampe aus Balken und Geröll aufgeschüttet haben, um die auf dem Felsplateau ausharrenden jüdischen Aufständischen (Zeloten) nach acht Monaten Bauzeit endlich zu vertreiben. Acht Heerlager hatte der Feldherr unter ihren Augen von 15.000 Legionären, Gefangenen und Sklaven errichten lassen, wie Der Spiegel vom 13.3.67 weiβ. Der Blick Hunderte Meter nach unten ist atemberaubend, die zwei weiβen, V-förmigen Pfade hinauf, klar zu erkennen. Etwas weiter krümeln sich Spuren von Vegetation ein Wadi entlang – und ein paar Gebäude und ein Amphitheater jüngeren Datums, für spektakuläre Licht- und Tonschauen unter freiem Himmel oder – Rock- und sonstige Konzerte oder Festivitäten.

Ein Stück weiter, Blick auf die Masada umgebenden Felswände des Canyons, kaum weniger dramatisch als der amerikanische Grand Canyon, nur weniger ausgedehnt. Bedrohliche Schluchten mit Felsmassiven, deren horizontale Bänder noch klar zu erkennen sind, bedrängen den Besucher, mit langen, steilen Geröllfeldern hinunter in enge Täler. Ein Blick in die Urzeiten der Erdgeschichte. Eine total lebensfeindliche Umgebung. Ein theatralisches Ambiente.

Wie geschaffen für das Drama, das sich auf dieser Bühne vor 2000 Jahren abspielte. Zentraler Augenblick war das Jahr 70 n. Chr., das Jahr der Niederschlagung des groβen jüdischen Aufstandes gegen die römische Besatzung, der in der Zerstörung des mächtigen Tempels in Jerusalem enden sollte. Und mit der Vertreibung aller Juden in die Diaspora. Aus jener Zeit stammt auch der Begriff „Diaspora“. Nach dieser, der 2. Zerstörung des Tempels nach 587 v. Chr. durch die Babylonier beschlossen die Juden, auf weitere Tempelbauten bis zur Ankunft des Messias zu verzichten (wann immer das sein mochte). Statt des Tempels mit seinem blutigen Opferkult entwickelten sie das Konzept der vergeistigten Synagoge als Gebetshaus zu Gott.

Unruheherd Palästina vor 2000 Jahren

Doch gemach, wir befinden uns erst im Jahre 66 nach Christus. In jenen Zeiten des jüdischen Aufstandes gegen Rom– bereits vor 2000 Jahren war Judäa seit Jahrhunderten ein Unruheherd – machte eine jüdische Sekte, die Zeloten, die Region unsicher. Es brodelte im Lande. Trockenheit und Unruhen hatten zu Hunger in der Bevölkerung geführt. Der revolu-tionäre Eifer der Juden geriet immer mehr auβer Kontrolle. Die Sikarier, „Messerstecher“, mordeten und plünderten nach Herzenslust. Und die Priesterkaste, auf die Rom zur Aufrechterhaltung der Ordnung zählte, war zerrissen und korrumpiert. Selbst eine Reihe römischer Gouverneure bekam die Lage nicht in den Griff.

Zu allem Überdruβ lieβ sich noch vor Ausbruch des Aufstandes 66 eine Gruppe von Zeloten („Eiferer“), unter dem Anführer Menachem ben Juda, auf dem Tafelberg von Masada nieder. Sie hatten Jerusalem im Zusammenhang harter innerjüdischer Konflikte verlassen. Kurz darauf wurde dieser in Jerusalem ermordet. Sein Neffe übernahm das Kommando auf Masada. In dieser – glorreichen – Zeit warfen die Juden für vier Jahre das römische Joch ab, befreiten den Tempel wie das gesamte Heilige Land. Doch die Römer konnten diese Herausforderung natürlich nicht ungestraft hinnehmen.

Niederschlagung des jüdischen Aufstandes

Im Jahre 70 war es soweit: Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, Jerusalem nach kurzer Belagerung geschleift, der Tempel zerstört, Zehntausende Juden abgeschlachtet, das Blut floβ in Strömen durch die Straβen. Drei Jahre später leistete einzig diese Festung noch Widerstand. Noch immer harrten nunmehr 967 Männer, Frauen und Kinder unverdrossen auf Masada aus, die der römische Feldherr Flavius Silva anzutreffen erwartete, als er am frühen Morgen endlich seine 9000 Legionäre die von ihnen gebaute Rampe mit dem Rammbock im Gepäck hinaufjagen konnte. Ausgrabungen aus dem Jahre 1967 bestätigten bis ins Detail die Schilderungen des römischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus.

967 jüdische Selbstmörder widersetzen sich

Doch General Silva und seine Mannen trafen keine Menschenseele mehr an, nichts als „schreckliche Öde, Feuersbrand und eine unheimliche Stille“, wie Josephus notierte. Verblüfft stapften die Männer über die Anlage. Alles umsonst? Sie entdeckten am „Boden der ärmlichen Hütten Tonkrüge, hölzerne Kämme und Löffel, Kosmetikfläschchen und irdene Tassen“, wie Der Spiegel berichtet. „In einer Ecke verkohlte Bündel von Körben, Kleidern und Sandalen“ – ganz wie der Historiker Josephus schrieb „Sie rafften in der Eile ihre Habselig-keiten zusammen und zündeten sie an“. Die Verteidiger Masadas hatten kurz vor dem Sturm der Festung all ihre Frauen und Kinder und zuletzt sich selbst getötet. Die Archäologen fanden sogar elf Tonscheiben mit den Namen der letzten Belagerten, mit denen vermutlich ausgelost wurde, welcher von ihnen die zehn und zuletzt sich selbst töten sollte. Denn die Selbstmörder wussten, was ihnen in römischer Sklaverei drohte : Deportation als Menschenopfer zu Zirkusspielen oder Schufterei als Sklaven in den Bergwerken am Sinai oder gar als Geiseln nach Rom. Es waren schon damals blutrünstige Zeiten.

Wie wir trotzdem von dem Geschehen erfuhren? Durch zwei Frauen und fünf Kinder, die sich in eine Höhle flüchten und dem Selbstopfer entgehen konnten.

Was war das eigentlich für ein Gott, den die Juden damals anbeteten – im Gegensatz zu den Römern, die noch viele Götter hatten? Vielleicht kam er ja aus ähnlich schroffen Bergen, sagen heute manche Archäologen, wenn auch aus einer Ecke, wo wir ihn nicht vermuten würden??

Die Seilbahn bringt den Besucher im Handumdrehen wieder zurück in die Gluthitze der Neuzeit, zu jenem vulkanischen Graben, dem nördlichen Ausläufer des ostafrikanischen Grabens, in dem auch das Tote Meer liegt. Bald geht er am Golf von Aqaba vorbei in das Rote Meer über. Und an dessen Westufer, in Saudi Arabien, ziehen sich über 2000 m hohe Berge entlang gen Süden.

Ursprung des Monotheismus in Saudi Arabien?

Pünktlich zur Weihnachtszeit 2014 erschien nun DER SPIEGEL mit seiner These, der Ursprung des Monotheismus der drei Weltreligionen, also des Gottes Jahwe der Juden, sei vermutlich jüngsten Ausgrabungen zufolge im Norden Saudi Arabiens in einer Vulkangegend zu verorten. Und das lange vor Mohammeds Zeiten… „Am Anfang war das Feuer“ schreibt schon die Bibel. Sollte Gott gar ein furchterregender Vulkangeist sein??

Nach Auffassung von Colin J. Humphreys in seinem Buch „Und der Dornbusch brannte doch“ habe Moses die 600.000 Israeliten auf ihrem Auszug aus Ägypten um ca. 1200 v. Chr. nicht über den Berg Sinai und dann weiter gen Norden, gen Kanaan geführt, wie man bisher vermutete. Vielmehr hätten sie unweit von Aqaba das flache Meer überquert und seien auf der saudischen Seite bis zur Stadt Madiana gezogen. Und von da aus weiter zum 1770 m hohen Tafelberg „Hala al-Badr“, im Hinterland des Roten Meeres. Die Gegend von Hala al-Badr ist in der Tat ein unwirtlicher Flecken mit gewaltigen Lavafeldern. „Kein Vulkan, der in historischer Zeit explodierte, liegt Jerusalem näher, erklärt der Physiker Humphreys. Auch Margot Käβmann unterstützt seine These. Und mit seinem Volke im Schlepptau erstieg Moses erneut den Berg, wo er von Gott die Tafel nun mit den zehn Geboten erhält, vom Feuer in Stein geritzt… Es folgt der Bund Gottes mit den Hebräern, er verspricht ihnen „das gelobte Land“. Und auch der biblische, brennende Dornbusch, in dem Moses der Herr das erste Mal erscheint und ihm den Auszug seines Volkes aus Ägypten befiehlt, soll sich auf diesem Tafelberg befunden haben. Feuer gab es in dieser Region eindeutig.

Waren die Schasu die ersten Hebräer?

Wie Humphreys darauf kommt? Die Bibel selbst gibt diese Hinweise auf den Gottesberg „irgendwo im Süden“ mehrfach und der Koran (Sure 7,85) ebenfalls. Der genannte römische Historiker Flavius Josephus seinerseits beschreibt sogar, lt. SPIEGEL, dass sich Moses durch Staub und Windstürme hindurch bis zur Oase Madiana vorkämpfte. Und nun das Beste : Schliesslich findet sich das Tetragramm JHWH für Jahwe auf einer altägyptischen Tempel-wand von 1400 v. Chr., auf der die Völker beschrieben werden, die der Pharao besiegte: Unter anderem ein Nomadenvolk aus dem „Land der Schasu + JHW“. Die Schasu? Nomaden, die vom Viehhandel lebten – und die in Midian lebten! Laut den Ägyptern halbe Wegelagerer, bärtig, mit Röcken, Krummdolchen, auf einem Relief als Beschnittene dargestellt, die mit ihren Herden bis nach Palästina zogen. Moses gar ein Schasu? Nichts Genaues weiß man nicht. Die Nomaden würden „wesentliche Identifikationsmerkmale“ des auserwählten Volkes der Bibel aufweisen, erklärt auch der Schweizer Theologe Thomas Straubli. Und : Die Schasu erreichten nachweislich Palästina : „Am Tempelberg von Jerusalem wurde eine fast 3000 Jahre alte Figur entdeckt. Sie zeigt einen typischen Vertreter dieser Beduinen“, schreibt der SPIEGEL, „mit spitzem Kinnbart und einem Stirnband, das die Haare hochdrückt“.

Von hieraus rollen nun die Wissenschaftler die gesamte Geschichte der Region, insbesondere der Aufstieg Israels vom losen Stammesverbund zur Nation, neu auf. Im Laufe dieser Neubewertungen heiβt es, sich von zahllosen romantischen Vorstellungen aus der Bibel zu verabschieden. Leider hinterlieβen die Schasu-Nomaden weder Schriftzeichen noch Tempel oder Altäre. Und ihre Ruinen weisen schwer deutbare Zerstörungen auf : Die Geburt Gottes fand im Chaos statt. Zum Abschied aus dem Heiligen Land die Wahrheit : Nie haben die Hebräer im Gelobten Land allein gelebt…

WEITERE INFORMATIONEN :

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46437788.html

www.welt.de/geschichte/article135685975/Der-Auszug-aus-Aegypten-war-alles-ganz-anders/html

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