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Der Mann und der Müll

Oder wie der Mensch die Meere plündert und zerstört, die er noch nicht einmal kennt.

Die ZEIT vom 24.4.2014

Zweimal durchkreuzte der Segler Ivan Macfadyen den Pazifik. Beim ersten Mal sah er Fische und Vögel im Überfluss. Zehn Jahre später waren sie verschwunden.

Wo waren die Rufe der vielen Vögel geblieben, die ihn sonst auf seiner Reise von Melbourne, vorbei an Neu-Guinea und hoch nach Osaka in Japan begleitet hatten? Wo die Fische und anderes maritime Leben, von dem sie sich ernährt hatten, auf ihrer Fahrt weiter gen Osten über Hawaii nach Kalifornien??

Stattdessen dumpfe Schläge von Müll an den Schiffsrumpf, und Kratzen. Stille und Trostlosigkeit umgaben die Jacht. Gleich hinter Neu-Guinea begegnete er diesem gigantischen Fischtrawler, der sogar des nachts unter Flutlicht das Riff leerfischte. Nein, keine Piraten kamen per Speedboot zu ihm herüber, Fischer des Trawlers boten ihm nicht nur Obst und Marmeladen, sondern auch fünf Säcke Beifang an, viel mehr als er und sein Begleiter essen oder lagern konnten. Das machten sie dauernd, erklärten ihm die Melanesier, würden ihn einfach über Bord werfen. Denn ihr eigentliches Ziel sei der Thunfisch. Es zerriss dem Segler das Herz – wie viele dergleichen schwimmende Fabriken durchkreuzten die Meere?! Hier und andernorts. Kein Wunder, dass das Meer tot ist und die Vögel keine Nahrung mehr finden!

Doch es kam noch schlimmer, als sie die japanische Küste erreichten. „Nachdem wir Japan verlassen hatten, beschlich uns ein Gefühl, als wäre der Ozean selbst tot“, sagt er. Sie trafen kaum noch ein Lebe-wesen, wo waren die gewohnten Schildkröten geblieben, die Delfine, Haie und grossen Vogelschwärme? Auf den 3000 Seemeilen habe es praktisch nichts Lebendiges mehr zu sehen zu gegeben, berichtet er. An Müll, den der gigantische Tsunami 2011 ins Meer gerissen hatte, herrschte indes kein Mangel, wohin das Auge reichte. Hunderte von hölzernen Strommasten ziehen immer noch ihre Leitungen hinter sich her. Abertausende gelbe Plastikbojen, ein riesiges Gewirr synthetischer Seile, Angelschnüre und Netze, Hinter-lassenschaften von Fischern oder Fischtrawlern. Und Millionen von federleichten Styroporteilchen, die garantiert nicht zersetzt, sondern höchstens zu immer kleineren Bestandteilen zerfetzt werden, bis die Fische und andere Meeresbewohner sie irrtümlich auffressen. Nicht zu vergessen Schlieren von Benzin und Öl.

Und was taten die beiden Segler, wenn sie mal in eine Flaute gerieten? Oft genug trauten sie sich nicht mehr, den Motor anzulassen, aus Angst die Schiffsschraube könnte sich in dem Gewirr aus Kabeln und Seilen verfangen und blockieren. So etwas hatten sie noch nie erlebt. Und nicht nur die Meeresoberfläche war betroffen. Nein, auch in der Tiefe des Ozeans vor Hawaii entdeckten sie Müll, und keinen kleinen, er reichte von einer Flasche bis zu Stücken eines Autos oder Lkws. Plastik war allgegenwärtig, Flaschen, Tüten natürlich, diese Plage, und sogar Haushaltsgegenstände aller Art, Stühle, Kehrschaufeln oder Spielsachen, bis hin zu einem Fabrikschornstein mit einem Boiler dran, der aus dem Wasser ragte, oder dem Teil eines Containers. Die beiden Segler machten sich sogar Sorgen, ihr Boot könnte nachhaltig beschädigt werden. Alles die Überreste des Tsunamis? Nicht nur. Die Ozeane werden zur Müllhalde.

Das Unheimlichste : Die leuchtend gelbe Farbe der Jacht, die in der Vergangenheit problemlos Sonne und Meereswasser getrotzt hatte, verlor vor Japan ihren Glanz auf eine seltsame Art. War das die dort ständig (?) eingeleitete Radioaktivität von Fukushima gewesen?? Macfadyen war entsetzt, geschockt und deprimiert.

Der Pazifik ist zerstört. Seitdem versucht er, bei Regierungsmitgliedern Lobbyarbeit zu betreiben und arbeitet an der Beobachtung des maritimen Lebens und der Dokumentierung der Schäden.

Und von den sogenannten gigantischen Plastikstrudeln, die Kontinenten gleich an mehreren Stellen in den Weltmeeren wirbeln, reden wir hier noch gar nicht…

 

WEITERE INFORMATIONEN :
2 Comments Post a comment
  1. Hans-Gerd Wiegandt #

    Congrats, liebe Barbara, have Deine Texte mit Interesse gelesen. Freue mich auf unsere nächste Begegnung! LG, Hans-Gerd Wiegandt

    April 10, 2015
  2. Liebe Brabara! – Die Natur wird’s richten! Wir zerstören nur die Lebensgrundlage des Homo “sapiens”. Eine Umkehr ist nicht möglich. Ich muss das leider so pessimistisch sehen. Dennoch darf Kritik nicht verstummen!!

    October 27, 2015

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